Und ja, der Begriff "Langzeitprojekt" ist keinerlei Übertreibung. Bereits im Hochsommer 2017 wurde Industries of Titan (IoT) erstmals durch einen Trailer der Öffentlichkeit präsentiert, es musste aber erst 2020 werden, bis Industries of Titan im noch vergleichsweise jungen Epic Store für ein Jahr exklusiv als Early Access Titel veröffentlicht wurde. Nun befinden wir uns im Jahr 2022 und Industries of Titan feiert heute, am Tag der Veröffentlichung dieses Sushi-Artikels, seinen zweiten Geburtstag im Early Access - mittlerweile nicht mehr exklusiv im Epic Store, sondern auch auf Steam. Grund genug, sich einmal ausführlicher mit dem Spiel zu befassen.
Aber zuerst werfen wir einen Blick auf das Entwicklerteam hinter Industries of Titan. Brace Yourself Games ("Wappne dich") ist ein unabhängiges Entwicklerstudio aus Vancouver, Kanada, welches 2013 gegründet wurde und mit ihrem Erstlingswerk Crypt of the Necrodancer im Jahr 2015 sofort einen Megahit hinlegten. Das von Kritikern gefeierte Rogue-like-Rhythmusspiel war so erfolgreich, dass es 2019 eine exklusiv für Switch erschienene Zelda-Variante des Titels gab. Crypt of the Necrodancer erschien innerhalb der letzten Jahre auf allen relevanten Plattformen, zuletzt sogar auf Android-Devices.
Industries of Titan hingegen ist aktuell nicht offiziell für Konsolen geplant, auch wenn in den regelmäßig stattfindenden Community-Streams von Community-Managerin Madeleine Gray und Assistant Video Producer Mel Severs die Frage nach beispielsweise einer Switch-Version nicht mit einem kategorischen Nein, sondern einem "aktuell konzentrieren wir uns auf das PC-Release" beantwortet wurde. Es besteht also Hoffnung.
Was sofort auffällt, ist der starke Kontrast hinsichtlich der Genres, die das Studio mit ihren Entwicklungen bespielen. Zwei Spiele sind derzeit in Produktion und zeitgleich im Early Access. Da wäre zum einen Phantom Brigade, ein rundenbasierendes Taktik-Rollenspiel mit durch Mechs ausgetragenen Kämpfen auf mittelgroßen Karten, zum anderen das bereits erwähnte Industries of Titan. Aber was ist IoT nun eigentlich?
Es handelt sich um eine Mischung aus Städtebau-Simulation und Strategiespiel in einer Cyberpunk-Voxel-Optik, basierend auf der Unreal Engine 4. Beim Start des Spieles haben wir nach einer Auswahl aus 14 Sprachen und diversen Grafikoptionen die Auswahl aus vier Spielmodi. Der erste Modus nennt sich schlicht "Standard" und bietet der Beschreibung nach die "vom Entwickler vorgesehene Erfahrung". Der zweite Modus lautet "Befristeter Vertrag" und ist ein Modus speziell für das Leaderboard, da im Rahmen der vorgegebenen Zeit alle Spieler die gleichen spielerischen Leitplanken gesetzt bekommen und sich anhand ihrer Endpunkte miteinander messen können. Der dritte Modus hört auf den Namen "Überleben" und bietet Gegner, die im Laufe des Spieles immer übermächtiger werden, während der vierte Modus "Zen" völlig ohne gegnerische Angriffe auskommt.
Im nächsten Schritt wählen wir unsere Fraktion, wobei anfangs erst eine Fraktion zur Verfügung steht, die Landfallers. Im Anschluss müssen wir noch unser Startgebiet auf dem Saturn-Mond wählen, was eine indirekte Auswahl des Schwierigkeitsgrades symbolisiert, da die Startgebiete sich insbesondere hinsichtlich Terrain, Wetter und umliegender Rebellenlager unterscheiden. Anfänger sollten hier tunlichst die oberste Standard-Einstellung wählen.
Im Spiel (und somit auf Titan) angekommen, fällt sofort die Spielmusik auf, für die einmal mehr Danny Baranowsky verantwortlich zeichnet. Es wird vermutlich nicht einen Leser geben, der nicht schon mal einem seiner Stücke gelauscht hat, war er doch schon Komponist für Spiele wie Super Meat Boy, The Binding of Isaac, Cave Story 3D und natürlich Crypt of the Necrodancer. Brace Yourself Games können sich glücklich schätzen, solch einen talentierten Musiker in ihren Reihen zu haben. Aber zurück zum Spiel an sich.
In einer schrägen Vogelperspektive blicken wir auf das Startgebiet, in dem sich unser Hauptquartier befindet. Diese Übersicht dient dazu, die Stadt auszubauen, Ressourcen abzubauen, neue Gebiete zu erschließen und Kämpfe auszutragen - Makromanagement sozusagen. Viel kleinteiliger wird Industries of Titan allerdings, wenn wir auf unsere Gebäude doppelklicken, denn hierdurch zoomt das Spiel in eine Innenansicht der jeweiligen Gebäude und bietet uns Gelegenheit, die Häuser wie Einheiten zu optimieren. Es ist zu vergleichen mit einer Zelle in einem großen, industriellen Gewebe. Die Zelle erledigt ihre Arbeit, aber wenn man in ihr Inneres schaut und die Bestandteile der Zelle optimiert oder austauscht, wird die Zelle effizienter. Die Auswirkungen an der Oberfläche sind enorm, so beeinflussen wir durch das Mikromanagement die Energiezufuhr und den Energieverbrauch unserer Gebäude, ebenso wie die Bevölkerungsdichte, Treibstoffherstellung und Lagermöglichkeiten. Ruinen und Relikte außerhalb unseres direkten Einflussbereiches müssen untersucht und demontiert werden, um unseren Aktionsbereich zu vergrößern und Materialien für den Bau neuer Gebäude zu sammeln. Hierfür vergeben wir unseren Arbeitern, die übrigens auch Gefühle haben und sich über zu hohe Umweltverschmutzung beschweren können, Aufgaben im Umfeld und steigern so stetig unsere Macht. Mögliche Angriffe von Rebellen hängen unter anderem von unseren Fortschritten ab und werden rechtsseitig als Warnung eingeblendet.
Es muss hier nochmals hervorgehoben werden, wie kleinschrittig und detailliert die Optimierungen und Erweiterungen vonstatten gehen. Glücklicherweise gibt es ein umfangreiches Tutorial und viele Ingame-Hinweise, ohne die Anfänger mit großer Sicherheit schnell überfordert werden, so umfassend ist das Gebäudemanagement.
Bisher sind genau 21 Updates zu Industries of Titan veröffentlicht worden, Anfang Mai wird Update 22 veröffentlicht. Genauer gesagt ist es immer der erste Dienstag eines Monats, dem "Titan Tuesday", an dem neue Inhalte eingespielt werden. Und es hat sich wirklich viel getan seit dem Start im Early Access. Im ersten Update ("All Roads Lead To Titan") wurde ein Transport Hub ins Spiel integriert, ebenso Straßen, Brücken und Lastwagen für den Transport von Materialien. In Update 10 ("New Horizons") wurde der Tag-Nacht-Rhythmus angepasst, ein Fotomodus integriert und neue Terrains eingeführt. In Update 19 wurde das Wetter- und Progressionssystem angepasst. Zwischenzeitlich kam es auch immer wieder zu "Quality of Life"-Bezügen in den Erweiterungen des Spieles, durch die Prozesse vereinfacht oder automatisiert wurden.
Es ist schon bemerkenswert, mit welchen Stringenz und Zuverlässigkeit das Team von Brace Yourself Games die Updates einspielt und das Spiel so kontinuierlich in eine logische Richtung entwickelt. Technisch läuft das Spiel übrigens ausgesprochen sauber und stabil, eventuell auftretende Fehler können über ein Ingame-Tool dem Entwickler gemeldet werden.
Wann wird Industries of Titan nun aber offiziell veröffentlicht und den Early-Access-Status verlassen? Nun, nichts genaues weiß man nicht. Ein offizielles Datum für die Veröffentlichung der Version 1.0 wurde bisher nicht kommuniziert und in der offiziellen Roadmap stehen noch so viele bisher nicht realisierte Punkte, dass eine Prognose hinsichtlich des Release kaum getroffen werden kann. Eine Prognose hingegen kann getroffen werden: Wenn sich Industries of Titan weiter so entwickelt wie bisher, erwartet uns ein absolutes Strategie-Highlight in toller Optik und einem gnadenlos guten Support von einem kleinen Entwicklerstudio, welches eindeutig mehr Aufmerksamkeit verdient hat.
Industries of Titan ist auf Steam und im Epic Store im Early Access zu haben und kostet 27,99 €. Der Soundtrack kann ebenfalls digital erworben werden.
