Tom Clancy`s Endwar
Strategie-Spiele auf Konsolen so salonfähig machen, wie es vor einigen Jahren den Ego-Shootern gelungen ist: so das hochgesteckte Ziel des Entwicklerteams von "Endwar". Auf der Games Convention 2008 bekamen wir eine fast fertige Preview-Version präsentiert, die einen rundherum guten Eindruck hinterließ. Nun ist das Endprodukt in unserer Redaktion angekommen und stellt sich dem gnadenlosen Dauertest. Kann "Endwar" auch nach längerer Spielzeit halten, was es verspricht?
Weltwirtschaftskrise mal anders
Im Jahr 2016 gehen die Öl-Vorräte der Erde langsam aber sicher zu Neige. Die daraus resultierende Öl-Krise verursacht weltweite Spannungen, und die Welt steht vor dem Ausbruch des dritten Wetlkrieges. "Endwar" versetzt euch in der Singleplayer-Kampagne in diesem feindlichem Umfeld in die Haut der drei Weltmächte Europa (Enforcer Korps), Amerika (Joint Strike Force) oder Russland (Spetsnaz) und lässt euch entscheiden, welcher Seite am Ende die Weltherrschaft gehört. Da Konsolen-Spieler im Gegensatz zu PC-Spielern überwiegend auf schnelle und unkomplizierte Action stehen, entfällt bei "Endwar" das für Strategie-Titel typische aufbauen von Basen. Stattdessen beginnt ihr jede Mission bereits mit einer vorgegebenen Anzahl von Einheiten. Die Missionsziele sind dabei überwiegend sehr ähnlich: Entweder müssen alle Gegner vernichtet oder alle Stützpunkte eingenommen werden. Auf diese Weise bewegt ihr euch Mission für Mission über eine Weltkarte mit dem großen Ziel, strategische wichtige Felder in eure Gewalt zu bringen oder feindliche Hauptstädte einzunehmen. Schade ist allerdings, dass man anfangs nicht komplett frei entscheiden kann, in welche Richtung man vorrücken möchte. Das Spiel macht hier zu Beginn einige Einschränkungen. Einmal eroberte Gebiete gehen jedoch nicht für immer in euren Besitz über. Durchaus kann es vorkommen, dass feindliche Truppen eroberte Areale erneut attackieren, was zu einer interessanten Mischung aus Angriffs- und Verteidigungsmissionen führt.
Die Kampagne führt euch im Laufe der Zeit an die unterschiedlichsten Orte und Landschaften. Hauptstädte wie London, Washington oder Paris werden ebenso Schauplatz eurer Kampfhandlungen wie Länder wie Finnland, Spanien oder der Brennerpass in Österreich. Um siegreich aus den Schlachten hervorzugehen, steht Hobby-Generälen eine Vielzahl an unterschiedlichen Einheiten zu Verfügung. Egal ob Fußtruppen, Transporter, Hubschrauber oder Panzer, jede Einheit besitzt unterschiedliche Eigenschaften, die in die taktischen Überlegungen mit einbezogen werden müssen. Fußtruppen beispielsweise haben keine Chance gegen Panzer oder Hubschrauber und bewegen sich sehr langsam, suchen jedoch geschickt hinter Objekten Deckung und sind unerlässlich, um feindliche Gebäude einzunehmen. Erlangt ihr auf die Weise Kontrolle über sogenannte Up-Link-Punkte und somit Zugang zu einer Satelliten-Verbindung, können darüber neue Einheiten angefordert, zerstörte Einheiten repariert oder alles vernichtende Atomschläge oder Weltraum-Laser-Angriffe angefordert werden. Panzer-Einheiten besitzen wiederum eine außerordentliche Feuerkraft, während Hubschrauber dank ihrer erhöhten Positionen einen guten Überblick über das Schlachtfeld verschaffen. Denn im Gegensatz zu den meisten Strategie-Titeln, ist die Kamera in "Endwar" stets Action-betont nur auf eine Einheit fixiert. Die Auseinandersetzungen folgen dabei im Grunde einem einfachen Prinzip: Panzer schlägt Transporter schlägt Hubschrauber schlägt Panzer. Wer sich an dieses "Stein-Schere-Papier" Prinzip hält, kann seine Kämpfe entsprechend taktisch planen. Siege werden mit Prämien belohnt, die ihr in die Fertigkeiten eurer Einheiten investiert. Auf diese Weise verstärkt ihr Attribute wie Angriff, Verteidigung oder Schnelligkeit, was eine nicht zu unterschätzende taktische Komponente mit ins Spiel bringt, da man seine aufgerüsteten Elite-Einheiten nicht ohne weiteres verheizen möchte und schon mal öfters zum Rückzug bläst, anstatt es darauf ankommen zu lassen. Dazu könnt ihr eure Einheiten nicht nur an ihren Startpunkt zurückkehren lassen, sondern sie mit dem Befehl "evakuieren" sogar gleich vom Schlachtfeld nehmen. Der Vorteil: man erhält die Befehlspunkte zurück und rettet seinen Jungs das Leben sowie die Erfahrung.
Wie ein General auf dem Schlachtfeld
Alle Einheiten werden dabei via Spracherkennung über die Schlachtfelder dirigiert. Eine der großen Besonderheiten an "Endwar", die das Spiel für Konsoleros zugänglicher und interessanter machen soll. Und tatsächlich, bereits nach kurzer Zeit brüllt ihr geübt Befehle in euer Headset und dirigiert die Einheiten mit Leichtigkeit über das Schlachtfeld. Die Befehle bestehen dabei immer aus drei Komponenten: "Wer" soll "Was" "Wo" tun. Ein leicht zu merkender Grundsatz, der schnell in Fleisch und Blut übergeht. Die Spracherkennung funktioniert hervorragend und hat auch keine Probleme mit Dialekten oder anderen Sprach-Färbungen. Sogar mit verschiedenen Begriffen kann das System umgehen. Brüllt ihr beispielsweise im Eifer des Gefechts "angreifen" anstatt "Angriff" wissen eure Truppen trotzdem, was sie zu tun haben. Einzig und allein mit zu leiser oder genuschelter Sprache hat "Endwar" ab und zu seine Schwierigkeiten. Die Palette möglicher Sprachbefehle ist sehr lang, muss jedoch glücklicherweise nicht auswendig gelernt werden. Sobald ihr die rechte Schultertaste zum geben eines Sprachbefehls drückt, erscheint ein praktisches Befehlsmenü, in dem alle Möglichkeiten aufgelistet werden. Alternativ kann "Endwar" über dieses Menü auch mit dem Controller gespielt werden, was dem Titel jedoch einiges von seiner Atmosphäre nimmt.
Nach anfänglicher Ratlosigkeit auf dem Schlachtfeld wird man schnell immer sicherer, befehligt Einheiten zu strategisch günstigen Punkten, greift Panzer mit Hubschraubern an und bringt seine Pioniere und Schützen in Deckung. Eine gut ausbalancierte Lernkurve erleichtert dabei den Einstieg. Während man im ersten Level nur wenige Einheiten kontrolliert und die Wirkungskette (wer schlägt wen) recht simpel ist, kommen wenig später andere Faktoren hinzu. Spontane Angriffe von Feinden gehören da ebenso zu, wie Stellungen die verteidigt werden wollen. Die richtige Deckung spielt eine größere Rolle und das intelligente Anfordern von Nachschub wird auch immer wichtiger.
Das HUD ist übersichtlich gehalten und erschlägt einen nicht wie gängige PC-Strategie-Titel mit Unmengen an Zahlen und Daten. Am unteren Bildschirm-Rand sind eure Einheiten aufgelistet sowie Informationen über deren aktuellen Status und Kampfhandlungen, in der rechten oberen Ecke findet sich eine kleine taktische Karte, welche die nächsten Zielobjekte anzeigt. Wer über einen Kommando-Wagen verfügt, kann sogar das gesamte Kampf-Geschehen über eine taktische Karte steuern, welche der konventionellen Ansicht von Strategie-Titeln ähnelt und dadurch mehr Übersicht bietet, aber bei weitem nicht so actionreich wie die Standard-Ansicht daherkommt. Hier können die Einheiten auch bequem per Tastendruck kommandiert werden, was einige dazu verleiten dürfte, das Spiel komplett in dieser Ansicht zu spielen. Die Gegner-KI kann sich sehen lassen. Je nach Schwierigkeitsgrad bringen Sie euch durch Scheren-Bewegungen oder geschickten Flankierungen ein ums andere Mal in Bedrängnis. Glücklicherweise sind auch eure eigenen Truppen nicht auf den Kopf gefallen und wehren sich bei Beschuss. So braucht ihr keine Angst haben, sinnlos Einheiten zu verlieren. Es gibt aber auch schwächen in der KI. Beispielsweise feuern Panzer auf vor Feinden befindliche Wände, anstatt zuerst darum herum zu fahren.
Strategie mit Action-Einschlag
Das Geschehen auf dem Schlachtfeld wird bei "Endwar" stets passend in Szene gesetzt. Seit der Präsentation auf der Games Convention hat sich jedoch nicht mehr viel getan, was heißen soll: "Endwar" sieht ordentlich aus, jedoch nicht überragend. Dank der immer nur auf eine Einheit fokussierten Kamera leidet in gewissen Situationen zwar die Übersicht, dafür bekommt ihr aber alle Kampfhandlungen hautnah mit. Fußtruppen suchen Deckung, Feuern selbständig auf Feinde und erinnern mit ihren Animationen an die Ghosts aus "Ghost Recon". Hubschrauber schweben bedrohlich in der Luft und lassen auf Befehl einen wahren Kugel- oder Bombenhagel auf die Gegner niedergehen. Panzer machen mit ihren Ketten jedes Hindernis dem Erdboden gleich vernichten alles und jeden mit ihren gewaltigen Kanonen. Die Kamera ist dabei stets mit dem rechten Analogstick um 360 Grad drehbar, sodass ihr das Geschehen immer ins rechte Licht rücken könnt. Dennoch vermisst man grafische Spielereien wie Partikeleffekte oder ein fulminantes Explosionsgewitter, die für ein echtes Mittendrin-Gefühl und Aha-Erlebnis nötig gewesen wären. Am imposantesten wird es noch, wenn Luftschläge oder Atombomben zum Einsatz kommen. Ein gigantischer Atompilz erhebt sich dabei vom Detonations-Ort und wirbelt realistisch Staub auf. Solche Momente gehören zu den grafischen Highlights des Spiels.
Die Story ist zwar nicht besonders originell, lässt aber bis zum Ende noch einige Fragen aufkommen. Ist vielleicht eine unbekannte vierte Macht am Werk ist, welche die drei Weltmächte gegeneinander ausspielt? Zwischen den Missionen werdet ihr immer via Briefing und Tom Clancy-typischen Einspielern wie Nachrichtensendungen oder Bildern aus Krisengebieten auf die kommenden Aufgaben vorbereitet. Diese Briefings sind, wie auch der Rest des Titels abseits der Kämpfe, leider etwas trist und lustlos geraten. Eine, wenn auch gute, deutsche Sprachausgabe stimmt euch mehr oder weniger motiviert auf den Krieg ein. Hier hätten wir uns etwas mehr Emotionen bzw. Bombast gewünscht, schließlich ist es Krieg, und man will sich entsprechend motiviert mit Kampfgeschrei auf den nächsten Feind stürzen. Davon abgesehen ist die restliche Soundkulisse gut gelungen. Der Funkverkehr eurer Einheiten hält euch immer auf dem Laufenden und vermittelt echtes Schlachtfeld-Feeling, ebenso wie die Waffen- und Kampfgeräusche.
Im Krieg gegen die ganze Welt
Natürlich könnt ihr in "Endwar" auch mit bis zu vier Spielern online oder zu zweit im Koop-Modus spielen. Beim stets flüssigen Online-Modus kommt im Spielmodus "Kriegsschauplatz" dasselbe Karten-Prinzip wie in der Solo-Kampagne zum Einsatz. Sprich: auf einer Weltkarte erobert ihr durch Matches verschiedene Gebiete. Ob und wie eure Fraktion erfolgreich war, erfahrt ihr jedoch nicht sofort, sondern müsst warten, bis die Ergebnisse der Online-Matches ausgewertet wurden. Unter Umständen kann es dann jedoch trotzdem sein, dass errungene Siege nutzlos waren, weil die Masse der eigenen Fraktion in den Kämpfen unterlag. Daneben gibt es noch Spielmodi wie "Jeder gegen Jeden", "Eroberung", "Belagerung", bei der sich das gegnerische Team mit weniger Ressourcen herumschlagen muss sowie der Modus "Überfall". Auch online habt ihr die Wahl zwischen verschiedenen Bataillonen und Brigaden, die unterschiedlich gewichtet sind. Luftlandebrigaden bestehen beispielsweise überwiegend aus Hubschraubern und Infanterie, während Panzerbrigaden hauptsächlich aus Panzern und schwerer Artillerie bestehen.
Fazit:
Tom Clancy´s Endwar ist ein guter Strategie-Titel, der leider etwas hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Die Spracherkennung funktioniert hervorragend und erkennt bis auf wenige Ausnahmen nahezu jeden Sprachbefehl. Die Vielzahl an taktischen Möglichkeiten mit Erobern, der "Stein-Schere-Papier"-Mechanik, den Nachschub im Auge behalten und der Aufrüstung der eigenen Truppen sorgen für eine anspruchsvolle Spielmechanik, die für Wochen ans Gamepad bzw. Headset fesseln kann. Zudem gelingt es dank der guten Lernkurve, auch bisherige Strategie-Muffel ans Pad zu locken und dank der innovativen Sprachsteuerung für das Genre zu begeistern. Auch der saubere Online-Modus weiß zu gefallen und motiviert auch noch nach beenden der Singleplayer-Kampagne zum ein oder anderen Spielchen. Leider vermag "Endwar" es nicht vollständig, die offensichtlich gewollte "Schlachtfeldatmosphäre" zu erzeugen. Dafür ist die Präsentation stellenweise zu trist und unspektakulär, es passiert einfach zu wenig auf dem Bildschirm. Einige Fehler wie Truppen, die in Wände schießen, anstatt darum herum zu fahren, hinterlassen zusätzlich einen faden Beigeschmack. Davon abgesehen kann sich die Gegner-KI und die KI der eigenen Truppen durchaus sehen lassen. Leider ähneln sich die Einheiten von Europäern, Russen oder Amerikanern bis auf leichte Abweichungen hinsichtlich Tarnung, Panzerung, Schnelligkeit oder Durchschlagskraft sehr stark. Auch die Story hat keinen Preis für Originalität verdient, erfüllt jedoch ihren Zweck und erzeugt auch den ein oder anderen Spannungs-Moment.
Alles in allem ein durchaus gelungener Titel für alle Konsoleros, der jedoch etwas hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Positiv:
- sehr gute Spracherkennung
- simple und leicht zu erlernende Befehlsketten
- zahlreiche taktische Möglichkeiten
- auch für Einsteiger ins Strategie-Genre geeignet
- Online- und Koop-Modus
Negativ:
- mäßige Präsentation, die das wirkliche Schlachtfeld-Feeling vermissen lässt
- fade Story
- teilweise fehler bei der KI