PC Gamer hatten bisher den Hexer Geralt von Rivia ganz für sich alleine. Sicher, The Witcher 2 hat mal einen Ausflug auf die Xbox 360 gemacht, aber das war mehr ein nachträglicher Port als ein ernsthafte Konsolenentwicklung. Der Titel selbst wurde zunächst rein für den Heim-PC entwickelt. Doch Witcher 3? Das ist schon etwas anderes. Wild Hunt wurde direkt für die neuen Konsolen mitentwickelt und alle drei Versionen, ob nun PlayStation 4, Xbox One oder PC, erschienen alle gleichzeitig. Somit haben nun alle Spieler die Möglichkeit in die Rolle des berühmten Hexers zu schlüpfen und sein neues Abenteuer zu erleben, ganz gleich ob man eine Konsole daheim stehen hat oder einen mächtigen Spiele-PC. Aber ist das auch von Vorteil? Kriegt Entwickler CD Projekt RED den eleganten Spagat eines Multiplatform-Titels zu jedermanns Zufriedenheit hin? Oder deutet der letzte Grafik-Downgrade tatsächlich an, was viele eingefleischte PCler schon vermutet haben: Der Witcher 3 macht Abschnitte, um es den Konsolensystemen recht zu machen. Werfen wir einen Blick auf die PlayStation 4-Fassung und schauen uns was unter all dem Hype, der Diskussion und den Vorwürfen verborgen liegt.
Bewitched!
Frühe Reviews zum The Witcher 3: Wild Hunt haben sich nicht geirrt. Fast durch die Bank weg wird das Spiel in den höchsten Tönen gelobt und nicht wenige handeln es als Konkurrent zu Bloodborne für das Spiel des Jahres, sowohl auf der Seite der Kritiker als auch der Spieler. Auch eine Woche nach dem Launch und mit mehr Zeit sich das Spiel genauer anzuschauen, wird man in diesem Review zunächst nichts anderes lesen: Ja, The Witcher 3 ist außerordentlich gut geworden. Jedoch sollte man sich nicht vollkommen blenden lassen, Wild Hunt ist nämlich trotzdem nicht annähernd fehlerlos, so wie es manche Stimmen vermuten lassen wollen. Das liegt aber eben nicht an der Kontroverse des technischen Downgrades, den das Spiel vor Release erhalten hat. Ja, das tatsächliche Spiel verglichen mit dem Werbematerial zuvor zeigt deutlich, dass einige Partikeleffekte fehlen, die Details der Fauna runtergeschraubt wurden und manche Texturen nicht dem versprochenem Standard entsprechen. Ist The Witcher III deswegen optisch ein nicht mehr ansprechendes Spiel? Nein, natürlich nicht. Was für PC und Konsolen hier abgeliefert wurde, ist weiterhin grandios, besonders wenn man sich die Gestaltung der Umgebung anschaut. Die Welt von The Witcher ist gewaltig und kann es in Größe und Vielfalt locker mit Skyrim aufnehmen, legt aber visuell vor allem auf die Natürlichkeit und Glaubhaftigkeit seiner Umwelt wert. Und das ist absolut gelungen. Von den Wäldern, den Hügeln, den Sümpfen, den staubigen Straßen, sogar den mittelalterlichen Städte und Dörfern - alles gewinnt durch die kleinen Details, durch die von Hand gestaltete Umgebung. Nur wenige Stellen wirken tatsächlich unecht, der Großteil der Welt sieht aus als sei es einem realen Vorbild entsprungen. Dazu kommen noch einige technische Spielereien, um der Welt mehr Leben einzuhauchen, wie etwa das beeindruckende, dynamische Wettersystem. Ob nun Sturmböen die Wellen im See aufschlagen, die Bäume im harschen Wind wackeln lassen und den Himmel am Tage verdunkeln oder ob die frühe Morgensonne Lichtstrahlen zwischen die Baumkronen schickt, es sieht alles schon äußerst überzeugend und schick aus. Die große Sichtreichweite, lebhaften Menschen oder Tiere, hübsche Wassereffekte tun ihr übrigens, um über den Fakt hinweg zu trösten, dass die Trailer zuvor noch beeindruckender ausgesehen haben. Downgrade hin und her: Was wir tatsächlich nun bekommen haben ist immer noch wirklich äußerst hübsch und nicht von der Hand zu weisen. Die Präsentation hält sich ebenfalls nicht zurück, punktet mit detaillierten und ausgezeichneten Figurenmodellen, sowie Animationen und die englische Synchro bietet darüber auch noch authentische Dialekte und Stimmen. Abgerundet wird es von einem passenden und sehr markanten Soundtrack, der alle Szenen passend unterstreicht.
Verhexte Steuerung
Die Probleme mit Witcher III beginnen eher mit dem neuen Kampfsystem und der generellen Steuerung, die man dem neusten Teil der Action-RPG-Reihe verpasst hat. Grundsätzlich sind die Kämpfe eigentlich erstmal nicht verkehrt: Nähert sich ein Feind Geralt, so zieht er eines seiner beiden Schwerter, entweder eines aus Silber für mystische Bestien oder eines aus Stahl gegen Tiere und Menschen. Fortan bewegt man sich vorsichtig und langsam in den Kämpfen, umkreist die Gegner, während sie versuchen einen in die Enge zu treiben. Und hier liegt der große Glanzpunkt in den Konfrontationen. Anstatt hektisch und actionreich zu sein, legt Witcher eher auf ein behäbige Kämpfe wert, die Taktik und Nachdenken belohnen. Das Gewicht einer geschwungenen Waffe, der Aufbau der Umgebung, das Timing von Ausweichschritten, Kontern und Angriffen, all das bleibt während einem Kampf wichtig. Wenn man darüber nachdenken muss, wohin man seine Schritte lenkt, nur beim Umkreisen und Beobachten eines Feindes, dann sieht man das Witcher einem Dark Souls näher liegt als beispielsweise einem Shadow of Mordor oder Assassin’s Creed. So erinnern die blutigen Kämpfe gegen Banditen in der offenen Welt auch eher an eine Szene aus Game of Thrones anstatt an High Fantasy-Schlachtereien wie etwa aus Herr der Ringe. Soweit ist das also vorbildlich und vor allem passend zu der dunklen Welt voller düsterer Folklore, aber genau das ist stellenweise unglücklich gelöst - aber eben nur stellenweise. Die Steuerung selbst ist irgendwo zwischen zu sensibel und zu träge angesiedelt, sodass es merkwürdigen Widersprüchen kommt. Sich so zu positionieren, dass man eine Truhe oder eine Leiche plündern kann, ist teilweise ulkig schwierig, weil das Spiel dies einem nur in einem sehr peniblen Winkel und nur im richtigen Abstand zur besagten Beute erlaubt, außerdem dreht sich Geralt entweder fast nur vollständig um die eigene Achse, anstatt sich vorsichtig wenden zu lassen. In Kämpfen wiederum ignoriert das Spiel manchmal störrisch, dass ich gerade per Schultertaste eine Rune aktiviert habe, da ich zwei Sekunden zuvor noch das Schwert zum Blocken erhoben hatte. Auch treffen Gegner noch den armen Hexer, selbst wenn er bereits mit der Ausweichrolle außer Reichweite sein sollte. Das macht das ganze Geschehen zugleich unpräzise, dann aber doch zu sensibel, störrisch und ungeschickt. Aber wie erwähnt: Nur manchmal. Andere Kämpfe, die etwa mit einem Greifen auf einem offenen Feld, sind absolut genial und wirken genau richtig optimiert. Dann kämpft man später gegen Nebel-Zombies in einer engen Höhle und die Kamera spielt völlig verrückt, da sie einem mit jeder Ausweichrolle die Übersicht raubt. Dazu kommt noch, dass die Zaubersprüche bzw. Runen, die Geralt mit sich trägt, völlig unausgewogen sind. Der kinetische Schub in etwa ist gerade zu Anfang praktisch nutzlos, während die Schildrune das Spiel selbst in den höheren Schwierigkeitsgraden relativ einfach macht. Sie schützt Geralt einfach vor Schaden und kann oft genug nachgezaubert werden, dass man schnell unverwundbar wird. Wenn sie mit Verbesserung auch noch anfängt den Hexer zu heilen, verlieren die meisten Kämpfe an Gefahr.
Lohnenswerte Jagd
Nun, so unausgewogen die Kämpfe oder die Steuerung nun sind, es ist es wert sich darin hinein zu finden, um The Witcher 3 zu erleben. Wenn das Spiel wirklichen die Gelegenheit bekommt zu glänzen, dann sind einzelne Erlebnisse die erfüllendsten Rollenspielmomente dieser Generation. Vor allem das Quest-Design ist hervorragend. Anders als in Dragon Age: Inquisition etwa bekommt man nicht einfach nur Sammelaufgaben ohne Kontext als optionale Inhalte serviert, stattdessen erzählt jede Nebenaufgabe eine eigene, kleine Geschichte. Jede Unterhaltung ist vertont und genau wie die Haupthandlung voll in Szene gesetzt. Zu keiner Sekunde fragt man sich, warum man eigentlich die Spur einer vermissten Frau im Wald verfolgt oder weswegen man ein Monster im Sumpf hinterher jagt. Zuvor sprach man einfach schon mit den beteiligten Personen, hat erzählt bekommen worum es geht, was die Menschen sich von dem Auftrag des Hexers erhoffen - gerade lang genug, dass man nun die näheren Umstände kennt, aber nicht mit zu viel Text, dass einem die Erklärung langweilig geworden wäre. Genau das macht das Erkunden dieser Welt auch so belohnend und unterhaltsam, ob man nun neue Quests findet oder einfach nur Banditenfestungen oder magische Schreine. Dadurch, dass man auch eher gemächlich und langsam vor sich herlevelt, anstatt jede Sekunde mit neuen Fähigkeiten und Gegenständen überschüttet zu werden, hat jeder gefundene Gegenstand und jeder erarbeitete Skillpunkt ein gewisses Gewicht und somit auch ein Grund zur Freude. So schließt sich auch die Spielmechaniken diesem Prinzip an und geben gerade eingefleischten Rollenspielfreunden eine Menge Werkzeuge an die Hand. Gute Beispiele wären das Crafting-System, denn ob nun Rüstungen, Waffen oder Zaubertränke, mit unzähligen Zutaten und Rezepten fällt es recht umfangreich aus. Während Ausrüstung zusammen mit Schmieden in Dörfern hergestellt werden müssen, kann Geralt die Arbeit an den Tränken allerdings allein übernehmen. Und gerade auf höheren Schwierigkeitsgraden wird dies eine Notwendigkeit. Gewisse Öle geben Geralts Silberklinge erhöhten Schaden gegen diverse Monsterarten, Zaubertränke dafür heilen oder schützen den Hexer und selbstgebaute Bomben blenden Gegner oder setzen sie gleich in Brand. Das artet nie in nerviger Sammelarbeit aus, da man hergestellte Trankarten immer beibehält und sie nicht andauernd nachbrauen muss. Lediglich etwas Alkohol ist von Nöten und der Hexer frischt seinen Trankvorrat während dem Schlafen (bzw. während der „Mediation“) von alleine auf. Das Spiel ist generell so clever den Spieler immer vorher wissen zu lassen, was für eine unheimliche Kreatur er da jagt, sodass die Vorbereitung auf einen schwierigen Kampf nie eine Zufallssache ist. Auch verhindert The Witcher 3, dass sich jemand mit zu vielen Tränken einen unfairen Vorteil verschafft, da jeder Trank auch Gifte enthält und daher kann man nie zu viele auf einmal wirken lassen. Das Skill-System balanciert dabei die Vorteile von Alchemie, Kampf und Runen für den Spieler aus, der sich stets entscheiden muss, in welchem der drei Bereiche er verstoßen will. Alles gut durchdachte Mechaniken, die man in jedem Open World Action-RPG einfach dabei haben muss.