Obwohl das neue Spiel von Hidetaka Miyazaki erstmal einen ganz anderen Namen trägt als seine üblichen Projekte, lässt es sich nicht von der Hand weisen, dass Bloodborne offensichtlich Teil der Souls-Reihe ist. Der Verwandtschaftsgrad ist einfach nicht zu übersehen. Ein finsteres Action-RPG mit bösartigen Monstern, wenig Hilfestellung, hohem Schwierigkeitsgrad und starker Bestrafung beim Versagen? Ja, Bloodborne vereint alle Eigenschaften, die Fans an der Soul-Reihe immer geliebt haben, sorgt aber auch durch sein vollständig neues Szenario für eine eigenständige Identität. Genauso wie Demon’s Souls ist man auch wieder in die PlayStation-Exklusivität zurück gekehrt, nun eben für die PlayStation 4. Die Erwartungshaltung an Bloodborne ist dementsprechend hoch. Souls-Spiele haben sich nicht umsonst einen Namen gemacht, der regelmäßig genannt wird um eine bestimmte zusammenhängende Mechanik in Videospielen zu beschreiben, nämlich der feine Grad zwischen Frustration und Freude, die Spaß an der Herausforderung und das Gefühl von Horror und Neugier. Ist es einem Dark Souls also würdig? Oder geht From Software nach vier Spielen der gleichen Machart endlich die Luft aus?
The Fear of the Unknown
Erstmal die Frage: Warum trägt Bloodborne eigentlich nicht den Titel „Dark Souls 3“ oder sonst irgendwie das einpräsgsame „Souls“ im Namen? Spielerisch bietet Bloodborne genug Gemeinsamkeiten mit Demon’s Souls und Dark Souls, um diese Verbindung zu rechtfertigen, der größte Unterschied scheint in der Tat die neue Thematik zu sein. Haben frühere Spiele in einer Dark Fantasy Mittelalter-Welt stattgefunden, inklusive finsterer Schlösser, Untote, Dämonen und Magie, so bedient man sich nun einem viktorianisches Steampunk-Setting, zusammen mit Van Helsing-artigen Werwölfen, Geister und Vampir-Monster. Darüber hinaus lies man sich offensichtlich von Edgar Allan Poes Horrorgeschichten zwischen Realität, Traum und Geisteskrankheit inspirieren, mehr aber noch von H.P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos. Das Ergebnis ist schlichtweg atemberaubend in seiner Ausführung. Die Gothik-Stadt Yharnam ist ein wahrlich finsterer Ort, der mit seinen engen Gassen, hohen Türmen und imposanter Architektur bereits jetzt zu den denkwürdigsten virtuellen Landschaften in der Geschichte der Videospiele gehören dürfte, nicht zuletzt durch das markante und stets ausgezeichnete Art-Design, welches sich durch Umgebung und Figuren zieht. Das gilt besonders für die Landschaften, die um die verseuchte Stadt drumherum liegen oder daran anschließen, sei es nun der verbotene Wald, die Friedhöfe oder Kathedralen. Besonders hervorzuheben ist die allgemein bedrückende Atmosphäre. Schon von Anfang an sind die von der lykanthropischen Pest befallenen Bewohner, die in Horden bewaffnet mit Fackeln und Mistgabeln durch die engen Straßen ziehen, Grund genug Vorsicht walten zu lassen, doch die Geheimnisse, die sich unter Yharnams Oberfläche verbergen, sind wahrlich grauenhaft. Die Entwickler beweisen eine nichtendend wollende Menge an Vorstellungskraft und Leidenschaft am Grotesken, Absurden, Befremdlichen und Widerwärtigen, die sie in unsagbare Horrorgestalten und Orten ausleben. Das Entdecken und Erkunden von Bloodborne setzt also durchaus eine gewisse morbide Neugier voraus, ist aber dafür umso lohnenswerter, da das Spiel bis zum Ende immer wieder überraschen und erschrecken kann. Das gilt wohl auch für die Geschichte, die in typischer Souls-Manier nicht auf dem silbernen Teller serviert wird, sondern nur bruchstückhaft erzählt und von aufmerksamen Spieler durch Hinweise in der Welt selbst zusammengesammelt werden muss. Die Chancen stehen hoch, dass der durchschnittliche Spieler am Ende immer noch nicht ganz genau was, was passiert ist. Aber auch das trägt durchaus zu dem allgemeinen Gefühl von Bloodborne bei, dem Ungewissen und dem unheimlichen Mythos rund um vage Spekulation und der Machtlosigkeit gegenüber etwas Größeren, das sich nicht begreifen lässt. Das kommt der Horrorliteratur, von der man sich inspirieren ließ, eben auch sehr nahe. Dark Souls und Demon’s Souls waren bereits vorbildlich in dem Bereich, doch Bloodborne übertrifft diese tatsächlich noch und ist in Gestaltung und optisch-visuellem Design eine absolute Meisterleistung.
"If I am mad, it is mercy!"
Aber lassen wir einmal Optik, Story und Atmosphäre außen vor. Was hat sich spielerisch zwischen Dark Souls und Bloodborne getan? Das eigentliche Prinzip ist sich sehr ähnlich. Das Kampfsystem basiert immer noch auf schnellen Ausweichmanövern und einem guten Gefühl für Timing, da so ziemlich alle Angriffe ihre Zeit brauchen um ausgeführt zu werden, besonders mit schweren Waffen. Wie zuvor ist der Schwierigkeitsgrad sehr anspruchsvoll, da selbst die schwächsten Gegner den Spieler viel Schaden zufügen und ihn in Sekunden übermannen können. Immer wieder werden neue Monster vorgestellt, denen man nicht ansehen kann wozu sie fähig sind, bis man es nicht am eigenen Leib erfährt. Die Welt ist voller Geheimnisse und Fallen, unfreundlich gegen den Spieler gerichtet, der beobachten, begreifen und planen muss. Zu jedem Zeitpunkt erwartet Bloodborne, dass der Spieler klug, ausdauernd und lernfähig ist. Im gleichen Atemzug verliert der Spieler beim Sterben seine durchs Töten von Gegnern gesammelte „Blood Echoes“, die Währung des Spiels, die für bessere Statuswerte, Items und Aufbesserung eigener Waffen ausgegeben wird. Diese erhält er nur wieder, wenn er zum Ort seines Versagens zurück kehrt und seine Blutlache berührt oder den letzten Gegner vernichtet, der ihm den Todesstoß gab. Wer jedoch zuvor noch einmal getötet wird, verliert endgültig den Anspruch auf seine Blood Echoes. In bester Tradition kehren aber alle Gegner immer zurück, wenn man stirbt oder in seine sichere Basis zurück kehrt. Durch diese Bestrafungsmethode entsteht eine gewisse Dynamik im Spielverlauf, eine Nervosität in Begegnung mit neuen Gegnern oder in unbekannte Gebieten, die den klassischen Survival Horror-Spielen wie Silent Hill oder Resident Evil nahe kommt. Das neue Setting ändert aber durchaus eine bemerkenswerte Anzahl an Eigenschaften im Vergleich zu Dark Souls. So verzichtet Bloodborne zum großen Teil auf Schilde und Rüstungen, stattdessen führt es unterschiedliche Pistolen in die Kämpfe ein. Da diese aber keine moderne Präzisionswaffen sind wie etwa in Ego-Shootern, sondern mit Schwarzpulver und Silberkugeln gefüllte Handkanonen, wird mit diesen nicht direkt gezielt, stattdessen kontert man mit ihnen. Der Schaden einer Pistole ist eher an sich gering, im richtigen Moment abgefeuert kann sie aber viele Gegner zum Taumeln bringen, um dem Spieler ein kurzes Zeitfenster für derbe Gegenangriffe zu geben. Generell ist Bloodborne wesentlich mehr auf aggressive Spielstile ausgelegt als Dark Souls. So kann man erhaltenen Schaden nämlich auch dadurch ausgleichen, dass man direkt Gegentreffer austeilt, was einen zwar selbst mehr in Gefahr bringt, aber den Heiltränkevorrat schont. Auch die Waffenauswahl wurde im Vergleich zum Vorgänger stark reduziert, im Ausgleich besitzen die sehr unterschiedlichen Geräte gleich zwei Modi, zwischen denen sich zu jedem Zeitpunkt wechseln lässt. So lässt sich ein Gehstock beispielsweise als Fechtwaffe für kurze Reichweite verwenden, mit einem Knopfdruck wird daraus aber auch eine Peitsche. Oder aus einem Beil wird ein Speer oder aus einem Schwert werden zwei Messer. Dadurch, dass man auch noch zwischen zwei Nahkampfwaffen und zwei Fernkampfwaffen wechseln kann, kann man sich sehr ausgefallene und vielseitige Taktiken und Methoden zulegen, die die Auswahl an bereits sehr dynamischen Waffen auch voll ausnutzten. Genug Freiheit für den Spieler, um den zahlreichen Herausforderungen zu begegnen.
"I have seen the dark universe yawning"
Wer es sich leichter machen will, kann auch wieder Online gehen. In Bloodborne hat man nämlich wieder die Möglichkeit andere Spieler zu beschwören oder von anderen Spielern beschworen zu werden, um gemeinsam gegen besonders harte Bosse vorzugehen. Das macht das ganze schon einen Ticken leichter, was für Anfänger sicher ein großer Vorteil ist. Außerdem hinterlassen sich Spieler auch immer Nachrichten in der Spielwelt, die einen auf Geheimnisse und Fallen aufmerksam machen können. Aber Vorsicht: Souls-Fans sind auch bekannt für ihren schwarzen Humor und nicht wenige verteilen Nachrichten, um euch absichtlich in die Irre zu führen. Selbstverständlich kann man sich wieder gegenseitig heimsuchen in klassischer PVP-Manier. Ganz neu sind wiederum zufallsgenerierte Dungeons mit exklusiven Bossen, die Spieler nach und nach freischalten können. Für eine Reihe, die eigentlich für ihr hervorragendes Leveldesign bekannt ist, ist es durchaus überraschend so etwas einzuführen, aber es ermöglicht noch mehr aus dem Spiel neben der Hauptkampagne heraus zu holen. Lohnenswert ist es allemal, da es durchaus einiges in den optionalen Dungeons zu entdecken gibt, in etwa spezielle Waffen oder Items. Es ist aber wohl keine Überraschung, dass diese Abschnitte keineswegs die gleiche Qualität wie das Hauptspiel erreichen, unterhaltsam sind sie aber dennoch, vor allem weil es sehr viele unterschiedliche von ihnen gibt. Insgesamt bietet Bloodborne also ein beeindruckendes Paket, welches in seiner Qualität nur von wenigen anderen Action-Rollenspielen erreicht wird. Leider schwächelt es auf technischer Ebene etwas. So sind die Ladezeiten grausam lang und nehmen teilweise über 30 bis 40 Sekunden ein, was mit jedem Tod durchaus eine Geduldsprobe wird. Auch die Framerate bleibt nicht konstant bei seinen 30 Bildern pro Sekunde und bricht ab und zu deutlich ein. Zu keinem Zeitpunkt ruiniert es die beeindruckende Spielerfahrung, aber es stört durchaus. Ob es aber an der PlayStation 4-Hardware liegt oder schlecht an mangelnder Optimierung lässt sich nicht sagen.