Der 3DS gehört derzeit ohne Frage zu den besten Systemen auf dem Markt für exklusive Videospiele. Zumindest im Bereich Handheld, denn dort hat Nintendo ein wirklich starkes und beeindruckendes Portfolio an großartigen Titeln aufgestellt, wobei immer wieder auch neue angekündigt werden. Ob nun Rollenspiele, Strategie, Action-Adventures, Platformer, der 3DS hat wirklich viel zu bieten, nur in einem Bereich ist er eher weniger stark aufgestellt, nämlich bei Shootern. Bevor man sich aber nun die Frage stellen kann, ob man überhaupt einen typischen Action Shooter auf dem kleinen Bildschirm spielen will, versucht der französische Entwickler VD-Dev mit IronFall: Invasion eine Art Gears of War für den 3DS zu bringen. Free to Play, zumindest für eine Demo-Version, dafür kann man die Einzelspielerkampagne separat für 10 Euro kaufen und den Multiplayer-Modus ebenfalls nochmal für den gleichen Preis. Technisch saubere 60 FPS, Online-Multiplayer-Gefechte mit bis zu sechs Spielern, eine eigenständige Geschichte rund um eine Alieninvasion - auf dem Papier klingt IronFall nach genau dem Spiel, was auf dem 3DS noch fehlte. Tatsächlich aber ist es die größte spielerische Katastrophe auf Nintendo-Hardware seit Sonic Boom. Und warum? Wo soll man hier nur anfangen…?
Another Alien Invasion
Zunächst verdient sich Entwickler VD-Dev doch ein bischen Lob und zumindest etwas Anerkennung. Was sie mit IronFall: Invasion auf dem 3DS versucht haben, war ohne Frage sehr anspruchsvoll, immerhin sind Third Person Shooter auf dem Handheld weiterhin noch eher Neuland. Auch technisch ist es durchaus ein kleines Wunderwerk, der 3DS ist ja unter der Haube bei weitem nicht so mächtig wie beispielsweise die Vita. Wer VD-Dev kennt, weiß auch, dass sie sich auf Handheld-Geräten immer viel zutrauen, vor allem wenn es darum geht die technischen Grenzen dieser Geräte auszureizen. So waren sie z.B. auch für Cop: The Recruit auf dem NDS verantwortlich oder für DRIV3R für den GBA. Technisch sind auch diese Spiele für die vorhandene Hardware sehr beindruckend gewesen, spielerisch haben sie aber mit IronFall: Invasion eines gemeinsam: Es sind furchtbar Videospiele. So erfahren und meisterlich VD-Dev auch mit minimaler Hardware beeindruckende Resultate erzielt, so unglaublich unerfahren scheinen sie mit der tatsächlichen Entwicklung von unterhaltsamen Gameplay zu sein, da praktisch jedes vorgestellte Spielelement sein gestecktes Ziel vollständig verfehlt. Anfangen schon mit der Präsentation und der Story. Klischee Ultra Deluxe: Aliens greifen die Erde an, ein Kerl in Power Armor muss sie aufhalten. Optisch besitzt das Spiel keine eigene Persönlichkeit, sodass es im Grunde wie die einfallslose Sci Fi-Resterampe anderer generischer Action-Shooter aussieht. Begleitet wird das auch noch von lachhaften Dialogen, sowie einer unglaublichen Qualität an Synchronsprechern, die offenbar ihr Bestes geben um möglichst unnatürlich und hölzern zu klingen. Zugegeben: Es hat einen gewissen Unterhaltungsfaktor, wenn sich zwei kaum animierte Puppengesichter gegenüberstehen, die so falsch positioniert sind, dass sie sich noch nicht einmal in die Augen blicken, während man dabei Laien-Sprecher hört, die das Script unvorbereitet zum ersten Mal in die Mikrophone vortragen. Das erste Resident Evil wirkt wie Citizen Kane dagegen. Davon abgesehen, dass das Story-Script vermutlich in dem Willen entstand eine ironische Persiflage an typische Videospiel-Handlungen zu schreiben, hätte man dabei nicht die Ironie vergessen. Aber der absoluten Niederlage gegenüber dem hohen Ziel so etwas wie eine interessante Geschichte mit glaubhaften Charakteren zu schreiben, könnte man ja noch verzeihen, wenn das Spiel selbst neben der Technik noch Spaß machen würde. Aber leider nein. Mit Styroporkugeln nach leeren Pepsi-Dosen zu werfen dürfte interessanter sein, da das Leveldesign eine einzige Katastrophe ist. Zwar gibt es verschiedene Level in unterschiedlichen Gebieten, aber dafür wiederholen sich diverse Räumlichkeiten gut vier oder fünf Mal bis zum Ende der Stage. Ständig gleich aussehende Hotelzimmer, dreimal das selbe Lagerhaus, Schießereien in der selben Fahrstuhlkammer - das Déjà-vu ist überall. Hinzu kommen geniale Ideen wie "Durchsuche in diesem Raum diesen Schrank" gefolgt von "Oh, da ist das gesuchte Dokument nicht? Durchsuche sechs identische Räume mit sechs identischen Schränken bis du das Dokument gefunden hast". Uninspiriert ist das falsche Wort für diese Art von Levelaufbau. Sterbenslangweilig trifft es eher.
Kniefall vor der Qualität
Die Probleme treffen auch auf andere Aspekte von IronFall zu. So ist nicht nur das Leveldesign und die Story von der Massenstange einheitlicher Sci Fi-Shooter, auch die Gegner besitzen die künstliche Intelligenz eines Taschenrechners im Stromsparmodus. Eventuell ist das auch ganz passend, denn die Aliens, die sich Dyxide nennen, sind in Wirklichkeit langweilig aussehende Roboter und Flugdrohnen. So kennen sie nur die ausgeklügelte Taktik auf einen langsam zuzulaufen und zu schießen. Deckung suchen oder den Spieler einzukreisen ist ihnen nicht möglich. Treffen ist manchmal auch schwierig, da sie auch gerne mal meterweise an einem vorbeiballern, wenn sie einen überhaupt bemerken. So konnte ich auch schon oft einfach an fetten Spinnenrobotern vorbei laufen, die erst von meiner Anwesenheit Kenntnis nahmen, als ich bereits zur Tür die Halle verlassen wollte. Dementsprechend gestalten sich Schusswechsel auf Dauer eher öde, da die Gegner zwar eine gewisse Vielfalt bieten, etwa durch Dyxide mit Schilden, fliegende Dyxide, Dyxide mit Scharfschützengewehren, doch alle lassen sich durch die selbe Taktik bekämpfen. Man wartet hinter der Deckung und schießt dann auf sie, bis sie sich nicht mehr bewegen. Durch lineare Korridore zu rennen, nur um an jeder Ecke von den gleichen Gegner begrüßt zu werden, zeigt einfach von einem Gamedesign der puren und absoluten Einfallslosigkeit. Dabei funktioniert die typische Cover-Mechanik schon kaum sonderlich gut, einfach weil so viele Designideen sich gegenseitig beißen. So gibt es keine Möglichkeit von einer Deckung schnell zur anderen zu wechseln, um beispielsweise einen taktischen Positionswechsel zu vollziehen. Die einzige Möglichkeit ist also mit dem zweimaligen Drücken vorwärts zu sprinten, aber genau da macht einem die völlig verblüffende Entscheidung des Puls-Systems einen Strich durch die Rechnung. In der Tat stirbt man nämlich nur dann, wenn der eigene Puls über einen gewissen Wert springt und natürlich steigt der Puls, wenn man getroffen wird und er sinkt auch wieder, wenn man hinter einer Deckung abwartet. Aber Rennen erhöht ebenfalls den Puls, sodass man auch schneller stirbt, wenn man mobil bleiben will. Ja, das ist richtig. Rennen tötet einen schneller. Solche Designaspekte sind einfach unglaublich und schlichtweg nicht nachvollziehbar. Warum sollte man einen Third-Person Shooter so konzipieren? Dadurch zementiert sich eigentlich doch nur, dass man bei Kämpfen nur an einem Ort bleibt und ab und zu über die Kante auf die in der Gegend rumstehenden Roboter ballert. Falls man doch mal den Platz wechseln muss, dann nur im Schritttempo um sich selbst beim Rennen nicht zu verletzen. Einfach unfassbar. Es hilft halt auch nicht, dass die Steuerung eher mäßig von der Hand geht. Das Zielen über Touchscreen ist ein Alptraum, daher braucht man mindestens einen New 3DS oder einen 3DS mit Circle Pad Pro. Doch auch der C-Stick des neuen 3DS ist keine gute Steuerungsvariante, weil dieser eigentlich nur dafür ausgelegt ist um in bestimmten 3DS-Spielen die Kamera zu bewegen. Präzises Zielen? Mäßig, aber es geht mit ein bisschen Übung. Zum Glück hat der 3DS aber eine weitere Methode fürs genauere Zielen eingebaut, nämlich den Gyroskop, um mit dem Schwenken des 3DS das Zielkreuz im Notfall ein bisschen nach zu justieren. Dass man hier der groben Steuerung aushelfen kann die notwendige Genauigkeit zu erhalten, die IronFall dringend benötigt, dürfte wohl auch der Grund sein, warum man
vollständig darauf verzichtet hat den Gyroskop zu nutzen. Brilliant!
Ich sehe was, was du nicht siehst...
Eventuell könnte hier noch der versprochene Multiplayer-Modus ein bisschen Spaß bringen, doch auch hier zeigt sich ein völliges Unverständnis für simples Gamedesign. Nicht nur ist das langsame, träge Zielen und Steuern hier noch stärker ein Problem als in der Story-Kampagne gegen hirntote Roboter, auch sind die Maps sehr, sehr, sehr klein, selbst für sechs Spieler. Das Ergebnis ist Chaos. Kein lustiges, unterhaltsames Chaos, sondern einfach nur frustrierendes Chaos, das in kurzer Zeit in Langeweile mündet. Wo ist schon der Spaß dabei mehr gegen die Steuerung zu kämpfen als gegen andere Spieler? Nicht, dass es den anderen Spielern Online besser geht. Man tötet so oft andere Mitspieler, die nicht rechtzeitig reagieren können, wie man auch getötet wird, ohne zu sehen von wem oder von wo. Zumindest besitzt man im Multiplayer nur zwei Waffen, anstatt wie in der Singleplayer-Kampagne von einer irrsinnigen Auswahl erschlagen zu werden, von der man aber am Ende sowieso nie eine oder zwei benutzt. Aber auch hier schlägt das super einfallslose Leveldesign zu Buche, das auf keinen Fall den Preis von 10 Euro rechtfertigt. Wer tatsächlich Lust auf chaotische, aber gut umgesetzte Third Person-Action auf dem 3DS hat und auch gerne online spielt, der greift besser wieder zu Kid Icarus: Uprising.