Jedes Jahr wiederholt sich das Spielchen: Von einer bekannten Shooter-Marke erscheint ein neuer Teil und die Heerschaaren der FPS-Gamer strömen in ihre digitalen Läden um ebenjene neue Inkarnation herunterzuladen. Inzwischen haben Genrevertreter eine dermaßen hohe visuelle Qualität erreicht, dass sie versuchen sich über andere Aspekte ihres Spiels zu differenzieren. Wer erinnert sich nicht an ein paar Anekdoten der letzten Zeit? ("Intelligente" Fische, die wegschwimmen, wenn sich ein Spieler nähert, es gibt einen Kampfhund, oooh großes Kino ...!) Es stellt sich die Frage ob man in dem festgefahrenem Genre mit seinen immerwiederkehrenden Spielmuster komplett neue Akzente setzen oder vielleicht sogar ein komplett neues Spielprinzip einführen kann.
Die Turtle Rock Studios haben nun genau diesen Versuch unternommen mit Evolve. Hier treten nicht in etwa gleiche Gruppen gegeneinander im Capture the Flag oder ähnlichen Modi auf unterschiedlichen Maps gegeneinander an, sondern es herrscht eine gewollte Asymmetrie: Ein Monster gegen vier Spieler.
Das Spielprinzip
Zunächst die Idee: In der Welt von Evolve versucht ein Rettungsteam von vier Kämpfern Menschen einer Basis auf einem Planeten mit feindlicher Fauna und Flora zu evakuieren. Wie die Wissenschaftler nämlich mitbekommen haben, existieren auf dem Planeten nicht nur mehr oder minder harmlose tierische Artgenossen, sondern es gibt einige wirklich sehr große Geschöpfe, dem die Menschen hilflos unterlegen sind.Der Witz bei Evolve ist nun, dass man sowohl als einer der Mitglieder des Rettungsteams oder aber auch als das Monster spielen kann. Es gibt zwei Tutorials mit dem man sowohl in das Spiel mit dem Monster als auch das mit dem Damage Dealer des Rettungsteams eingeführt wird.
Als Monster wird einem erst gezeigt, wie man sich durch die Gegend bewegt, große Sprünge zu entfernten Felsen macht und zu Steilwände erklimmen kann. Anschließend wird einer der wichtigsten Aspekte des Spiels als Monster gezeigt: kleinere Tiere töten und diese Fressen. Durch das Fressen erhält man nämlich nicht nur eine Panzerung, die das Rettungsteam erst mal durchbrechen muss, sondern das Monster kann wenn es genug gefressen hat, in die nächste Evolutionsstufe aufsteigen und mächtiger werden. Es gibt beim Monster insgesamt drei Stufen und mit jeder Stufe erhöht sich der Schaden der Angriffe und der Lebensbalken verlängert sich substanziell. Es stehen einem neben der Standardattacke, die man mit R2 auslöst, noch vier verschiedene Spezialattacken zur Verfügung: Felswurf, Schmettersprung, Feueratem und Rammen. Mit jedem Aufstieg eines Levels erhält man drei "Talentpunkte" die man zur Verbesserung der jeweiligen Attacke einsetzen kann. Natürlich kann man alle drei Punkte in einem Talent versenken und erhält dadurch die volle Effektivität dieses Angriffs. Beispielsweise erhöht sich mit jedem Talentpunkt in "Feueratem" der Schadensbonus und Reichweite um 30%.
Das Monster führt die verschieden Angriffe aus, die fix auf bestimmten Tasten gelegt sind. Beispielsweise werden R1, L1, Quadrat, etc. für die verschiedenen Attacken genutzt. Dadurch unterscheidet sich Evolve von anderen FPS wodurch man sich ein wenig umgewöhnen muss.
Das Monster kann nicht nur wild um sich schlagen, sondern auch schleichen. Das ist wichtig, denn nur durch das Schleichen verhindert man verräterische Fussspuren zu verursachen, die das Rettungsteam sehen kann um das Monster ausfindig zu machen. Auch machen die anderen Tiere es dem Monster nicht leicht sich zu verstecken: Ist man unachtsam und schreckt einen Schwarm Vögel auf, so können das die Mitglieder des Rettungsteams sehen. Um Tiere in der Nähe ausfindig zu machen, drückt man auf R3, dadurch wird der Geruchssinn aktiviert und man sieht fressbare Tiere mit gelben Silhouetten markiert, auch wenn diese sich hinter Bäumen oder Sträuchern befinden.
Spielt man als Mitglied des Rettungsteams, wird man zuallererst in das Spiel mit dem Damage Dealer eingeführt. Dieser kann sich mit Hilfe eines Jetpacks Klippen hinaufbewegen, wobei das Energie verbraucht, die sich langsam wieder aufbaut. Zum Schaden machen hat man verschiedene Optionen, wobei es hier drauf ankommt, dass man von seinem Mitspieler dabei unterstützt wird. Hier unterscheidet sich Evolve auch stärker als andere FPS: Es gibt klar verteilte Rollen im Rettungsteam, die ein Spieler annehmen kann: Der bereits erwähnte Damage Dealer (Assault), der Heiler (Medic), der Buffer (Support) und der Fallensteller (Trapper). Als Heiler ist es die Hauptaufgabe des Spielers, die anderen während des Kampfes aufzuheilen, was über einen kanalisierten Skill geschieht (dazu gleich mehr). Gleichzeitig kann man das Monster mit Betäubungspfeilen attackieren um es langsamer zu machen. Eine weitere Fähigkeit des Medics ist es, mit einem panzerbrechenden Scharfschützengewehr die Panzerung des Monsters empfindlich abzubauen, und so dem Team die Möglichkeit zu geben, mehr direkten Schaden zu machen. Der Support-Spieler verleiht einem Teammitglied ein Schild, welches kanalisiert werden muss. D.h. dass die gesamte Zeit wo der Schild auf dem Spieler wirken soll, eine Taste gedrückt werden muss. Visualisiert wird das im Spiel dadurch, dass ein blauer Strahl vom Supportspieler zum Ziel der Schildstrahls geht. (Analog ist es beim Medic ein grüner Strahl). Das macht es dem Monster natürlich einfacher auszumachen, wer vom Team der Medic, wer der Support ist. Der Support kann aber auch einen Airstrike befehlen und hat darüberhinaus die Möglichkeit, das gesamte Team für eine kurze Zeit unsichtbar zu machen. Wer aber möchte, kann auch mit dem Support Schaden verursachen, riskiert dadurch aber, dass das Team insgesamt schlechter dasteht. Als letztes Teammitglied ist der Trapper zu erwähnen. Er kann einen Tracking-Hund namens Daisy spawnen, welcher versucht, das Monster zu finden. Viel wichtiger aber ist, dass der Trapper eine Kuppel aufbauen kann, die das Monster und das Team in einem kleinen Bereich einsperrt. Das ist nämlich wichtig, da das Monster sehr schnell abhauen kann, wenn es sich (noch) unterlegen fühlt. Um das Ausbüchsen zu verhindern, kann der Trapper auch Harpunen auf das Monster abfeuern, die vorher im Boden verankert werden müssen. Dadurch kann sich das Monster nicht mehr richtig fortbewegen.
Das Gameplay
Nachdem wir nun die Basics durch haben, kommen wir dazu, wie sich das Spiel überhaupt spielt. Im Multiplayer wählt man aus welche Rolle man übernehmen will. Die Auswahl ist dabei zuvorkommend gemacht: Man wählt aus welche der fünf Rollen (Monster, Assault, Trapper, Support, Medic) man am liebsten und am wenigsten spielen möchte und bildet eine Reihenfolge. Das Matchmaking versucht eine passende Gruppe zu finden, die den Ansprüchen der meisten Spieler genügen. Es kann schon öfters passieren, dass man nicht seine präferierte Rolle erhält (gerade wenn man das Monster spielen möchte) und dann auf seine zweite oder dritte Auswahl ausweichen muss. Beginnt man das Spiel als Monster so ist das erste was machen sollte, so viele Tiere wie möglich zu essen um die zweite Evolutionsstufe zu erreichen. Das Rettungsteam hingegen versucht so schnell wie möglich das Monster zu finden. Man sollte im Singleplayer alle Maps gespielt haben, damit man die Verstecke und Sackgassen im Spiel kennt, so dass man als Monster das Terrain bestens kennt. Wenn man sich etwas geschickt anstellt und relativ leise seine Tiere tötet, kann man schnell die nächste Evolutionsstufe erklimmen. Wird man entdeckt, so beginnt sehr oft der unmittelbare Kampf, denn der Trapper aktiviert meistens die Kuppel, so dass man als Monster nicht mehr abhauen kann. Hier liegt aber nun die Krux begraben: Spielt man gegen ein chaotisches Random-Team, wo die Spieler einfach nicht so richtig wissen, was sie machen sollen, kann man als Monster immer wieder abhauen. Hat man hingegen ein Team vor sich, das sich wirklich abspricht (vielleicht auch per Voicechat), so wird die Sache sehr sehr viel schwerer. In den Anfängen von Evolve wo noch keiner das Spiel wirklich beherrschte, konnte man oft beobachten, dass der Trapper die Kuppel nicht aufbaute, der Heiler selbst lieber Schaden machte und der Support damit beschäftigt war, die Gruppe unsichtbar zu machen oder aber in die Luft starrte.
Als Monster hat man die meisten Chancen, wenn man mindestens auf Stufe zwei aufgestiegen ist oder aber schon Stufe 3 erreicht hat. Hat man die letzte Stufe erreicht, kann man das Stromrelais in der Map zerstören und somit die ganze Station hops nehmen. Noch befriedigender ist es aber, die gegnerischen Spieler einen nach dem anderen auseinander zunehmen. Überraschenderweise ist das Balancing in Evolve bis zu dem Zeitpunkt zu dem diese Review geschrieben wurde, gefühlt in Ordnung. Die Win Chancen liegen in etwa bei 50-50 für jedes Team, aber das Matchmaking sollte angepasst werden: Es sollten nur Leute gegeneinander spielen, die auch in etwa auf derselben Erfahrungsstufe sind. Wir haben öfter gesehen, dass Level 1 Newbies mit Level 5 oder Level 7 Spielern zusammengemischt wurden, was ja offensichtlich zu Vorteilen führt, wenn das Monster von einem Level 1 Spieler, der kaum Erfahrungen gemacht hat, geführt wird. Vielleicht wird Turtle Rock da noch etwas nachpatchen.
Was teilweise etwas nervt, ist, dass man als Monster Spieler mehrfach töten muss, bis sie wirklich tot sind, denn andere Spieler und auch der Hund können am Boden liegende, sterbende Spieler wiederbeleben.
Ich hab das Monster gesehen! Wo?!
Evolve bietet mehrere Spielmodi, wobei man beim Multiplayer nur den Huntmode direkt auswählen kann. Die anderen Modi sind im Evacuation-Modus versteckt. Neben dem Hunt Mode gibt es dann dort den Nest-Mode (wo das Rettungsteam auch Eier zerstören muss), Defend und Rescue (die Namen sagen schon alles). Das Problem ist, dass man diese Modi in einem Online-Player Match nicht direkt auswählen kann (oder man erstellt ein komplettes Custom-Match mit Freunden), sondern der Evacuation-Modus 5 Maps mit den verschiedenen Modi vermischt und die Spieler voten können, auf welcher Map sie spielen möchten. Natürlich entscheidet sich das Spiel meistens für die Wahl der Maps durch das Rettungsteam: vier Stimmen gegen eine (Monster) sind eine klare Sache. Fünf Runden sind zu spielen und je nachdem welches "Team" die Runde für sich entscheidet, bekommt in der nächsten Map einen Vorteil. Gewinnt das Rettungsteam , wird die nächste Map mit beispielsweise mehr Vögeln gespickt, die vom Monster aufgeschreckt werden.The road to hell is paved with good intentions
Prinzipiell ist Evolves Spielprinzip mehr als nur ein Gimmick, im Gegensatz zu den normalen Shootern hebt sich das Spiel ab indem es eine neue Art des Multiplayers durch gewollte Asymmetrie einführt. Das Balancing zwischen den zwei unterschiedlichen Gruppen ist überraschend gut, und man hat nicht das Gefühl, dass man ständig im Nachteil sei. Das Problem sind eher manche Modi und das etwas dürftige Matchmaking. Nicht nur, dass das Matchmaking manchmal über 5 Minuten benötigt bevor es los geht, sondern auch dass Newbies mit geskillteren Spielern zusammengewürfelt werden, lässt zu wünschen übrig. Auch nicht wirklich schön ist es, dass man um neue Charaktere und Boni zu unlocken, sich einem regelrechten Grinding unterziehen, und bestimmte Aktionen (beim Monster) oder Waffen/Skills (beim Rettunsteam) ständig einsetzen muss, um die nötigen Punkte für den Aufstieg zu erhalten. Natürlich "zwingt" dieses System den Spieler alle Fertigkeiten einer Klasse zu nutzen, aber wieso werden dann solche Spieler, die bereits einiges freigeschaltet haben, mit Spielern vollkommen ohne irgendwelcher Freischaltungen zusammengewürfelt?
Übrigens auf Seiten des Rettungsteams kann das ganze Spiel kippen, wenn einer der Spieler seine Rolle nicht erfüllt: Popelt der Trapper in der Nase und baut die Kuppel nicht auf, entkommt das Monster, frisst sich stark, und plättet den Rest der Belegschaft in Windeseile. Genauso wenn der Medic Löcher in die Luft guckt oder aber denkt, er müsse Schaden machen, weil eigentlich wollte er ja Assault spielen und nicht Medic.
Die Grafik des Spiels ist sehr gut und man kann nichts daran aussetzen. Die Flora und Fauna sind gut in Szene gesetzt und auch die Soundkulisse ist athmosphärisch.