Warnung: Alle im folgenden Text erscheinenden Wortspiele zum Thema Hunde sind rein zufällig und nicht beabsichtigt dicht aneinander gereiht. Aber wie dem auch sei. Ursprünglich war Sleeping Dogs ja ein Spiel, welches unter Activision entstand, damals noch als Reboot zur True Crimes-Reihe, dann aber wurden die finanziellen Mittel gestrichen und der Publisher drohte die Hunde einzuschläfern. Doch ein halbes Jahr später holte Square Enix das Projekt und Entwickler United Front Games aus dem Tierheim, um sie wieder aufzupeppeln und die Arbeiten an dem Spiel zu Ende zu bringen. Nach einem neuen Namen auf dem Halsband erschien Sleeping Dogs auch putzmunter auf PlayStation 3 und Xbox 360 in 2012, gerade rechtzeitig um Open World Action-Fans in Wartezeit auf GTA 5 zu unterhalten. In der Zwischenzeit wurde es natürlich etwas still um den Titel, nicht umsonst haben auch schon größere Rüden wie Watch Dogs das neue Next Gen-Revier markiert, wobei der dominanteste in der Gegend, Grand Theft Auto 5 nämlich, schon hinter der nächsten Ecke auf seinen Auftritt auf den neuen Konsolen wartet. Gerade jetzt sieht sich Sleepings Dogs also einer ganzen Menge Konkurrenz ausgesetzt, präsentiert sich aber in frisch gestriegeltem Grafik-Fell, um sich neue Gamer-Herrchen zu suchen. Bellt er aber auch laut genug, um sich die Aufmerksamkeit zu verdienen oder muss wieder der Maulkorb her? Schon in Ordnung, ab jetzt gibt es keine doofen Wortspiele mehr, ich will ja keine schlafenden Hunde wecken.
Wer zweimal bellt...
Sleeping Dogs: Definitive Edition ist ohne Frage weiterhin das gleiche Spiel geblieben. Anders als „Tomb Raider: Definitive Edition“ von Square Enix wurde tatsächlich nicht so viel an der Optik gedreht, wobei natürlich Texturen, Licht- und Wettereffekte, Auflösung und dergleichen durchaus merklich besser geworden sind. Watch Dogs, welches zwar kurz vor Release vor einigen Monaten einen Grafikdowngrade von Ubisoft erhalten hatte, sieht aber trotzdem auf den Konsolen noch ein stückweit hübscher und organischer aus. Wirklich glänzen konnte Sleepings Dogs vor allem damals durch sein ungewöhnliches Szenario, gerade weil Hong Kong im Bereich Videospiele ein noch recht unverbrauchtes Szenario ist. Das ist auch so geblieben. Die Vielseitigkeit der Stadt ist weiterhin in der besonderen Atmosphäre der unterschiedlichen Gegenden festgehalten worden, sei es nun die von Neonschildern beleuchteten Märkte, hochmoderne Geschäftsviertel, dreckige Gassen mit zweideutigen „Massage“-Angeboten, traditionelle Tempelanlagen, bunte Karaoke-Bars und so weiter und so fort. Für heutige Verhältnisse ist die gesamte Fläche der fernöstlichen Metropole vielleicht etwas klein geraten, gerade im Vergleich zu den großen Jungs wie Watch Dogs und Grand Theft Auto 5, trotzdem bleibt die Umgebung eine der vorantreibenden Stärken des Spiels. Das gilt auch für die erzählte Geschichte. Das Undercover Cop Drama ist weiterhin vorbildlich vertont, eben dank Sprechern wie Tom Wilkinson, Will Yun Lee, Lucy Liu oder Emma Stone, ist aber auch erzählerisch sehr spannend und mitreißend gestaltet. Kurze Übersicht: Wei Shen muss in seiner Heimatmetropole Hong Kong Kontakte zu alten Kameraden aufnehmen, um in die Verbrecherorganisation Sun On Yee einzudringen. Von Inneren heraus ermittelt er als Polizist, während er nach außen hin weiter den knallharten Verbrecher mimen muss. Die ständige Frustration über die engstirnige Führungsriege dieser Operation macht ihn aber fortwährend zu schaffen, während er sich selbst immer emotionaler auf die Menschen um ihn herum einlässt und die Geschehnisse bald nicht mehr als Außenstehender wahr nimmt, sondern zum treibenden Mitspieler dieser Revierkämpfe zwischen verschiedenen Banden wird. Konflikte zwischen Moral und Zugehörigkeit, um Verrat und Loyalität, zwischen Brüdern und Feinden, zwischen Macht und Unterordnung - Zwar nimmt man interaktiv nie an der Geschichte teil, indem man sie beeinflussen würde oder selbst in Konflikt geraten könnte, doch das reine Beobachten als Zuschauer ist tatsächlich unterhaltsam und somit wesentlich ergreifender als Watch Dogs es hätte je sein können. Auch ist Wei Shen als Protagonist deutlich facettenreicher als Aiden Pearce, nicht nur weil man ihn als vollausgereiften Charakter mit labilerem Gemütszustand begreifen kann, sondern auch weil das Spiel nicht versucht sein Konflikt von Moral zu Gewalt zu beschönigen. Die gesamte Geschichte hätte vielleicht ein besseres Ende verdient, bleibt aber trotzdem ein Pluspunkt des Gesamtpakets, auch in der neuen Edition. Einzig und allein die ziemlich hölzernen und stellenweise merkwürdig unorganischen Animationen der Figuren stören dieses Erlebnis ab und zu.
Keine neuen Tricks
Eine weitere Stärke, die aus dem Original erhalten bleiben, ist die Vielseitigkeit im Gameplay. So beherrscht Wei Shen diverse Martial Arts-Künste, um Gegner ordentlich zu verprügeln, was insgesamt ein wenig an die Batman Arkham-Spiele erinnert, nur wesentlich brutaler. Wie zuvor sind einige der Angriffe, die man in Kombination mit der Umgebung ausführt, wie in etwa Brennöfen, Fleischerhaken oder Ventilatoren, unverhältnismäßig brutal und blutig, was gerade für die Hauptfigur als Undercover Cop merkwürdig wirkt. Zugleich sind die typischen Third Person Shooter-Anteile im Spiel nicht weniger brutal, glänzen aber immerhin durch eine sehr elegante Bullet Time-Mechanik, die ausgelöst wird, wenn Shen unter seiner Deckung hervorspringt. Desweiteren wird die Zeit noch länger verlangsamt, wenn man in diesen Augenblicken Gegner auch ausschaltet, was die Schusswechsel recht einfach macht, dafür auch kurz, knackig und actiongeladen, was gut zum allgemeinen Spielfluss passt. Das gilt auch für das Autofahren, was in so einem Open World-Spiel natürlich nicht fehlen darf. Insgesamt kombiniert Sleeping Dogs seine Mechaniken sehr gut, sodass man abwechselnd die Fäuste sprechen lässt, Verfolgungsjagden quer durch Hong Konk abwickelt oder in Schusswechsel der rivalisierenden Banden gerät. Gerade die Fahrten mit den vierrädrigen (oder zweirädrigen) Untergeschossen bleiben abwechslungsreich, weil sie auch durch eigene Mechaniken ergänzt werden, wie etwa Rammen und von der Straße drängen, in voller Fahrt auf andere Wagen springen und sie übernehmen oder eben auch in voller Geschwindigkeit aus dem Fahrerfenster ballern. Das Spiel wechselt sich immer gut ab mit allem, was es zu bieten hat, was mit der motivierenden Geschichte tatsächlich dafür sorgt, dass weder die Nebenaktivitäten noch die Story Missionen schnell langweilig werden. Das ist auch gut so, weil man optional tatsächlich einiges erledigen kann. Illegale Autorennen, an Polizeieinsätzen teilnehmen, in Fight Clubs antreten, für zwielichtige Freunde Gefälligkeiten übernehmen oder einige der sammelbaren Gegenstände in der Welt suchen und das alles natürlich für ordentliche Belohnungen. In etwa erlernt man neue Kampftechniken, steigt im Ansehen auf um bessere Autos und Kleidung zu kaufen, erhält Erfahrungspunkte als Cop oder als Triaden-Mitglied, was neue Fähigkeiten freischaltet oder man erhöht durch das Beten an Schreinen seine Lebenspunkte. Da in der Definitive Edition auch alle bisher veröffentlichten DLC-Inhalte zu finden sind, gibt es natürlich nicht nur neue Spielinhalte neben dem Hauptspiel sondern auch ein paar mehr Missionen hier und da, neue Kleidung zu kaufen und diverse andere Boni. Unterm Strich ist hier inhaltlich genug geboten, um darüber nicht meckern zu müssen.
Schlecht erzogen
Während also die meisten Pluspunkte erhalten geblieben sind, gilt das aber auch gleichzeitig für die Minuspunkte. Weiterhin sind Amokläufe durch die Stadt quasi konsequenzlos und das obwohl die Polizei durchaus gewillt ist Shen für seine Verbrechen zu verfolgen - wenn sie dies denn überhaupt mal mitkriegen. In der Regel kann man ohne Probleme aber auf offener Straßen Menschen verprügeln, alte Damen in Telefonzellen reintreten, Geschäftsmänner als Rammbock verwenden und dann in die nächste Autotür hinein knallen lassen oder einfach mal mit dem neu gekauften Sportwagen den Bürgersteig leer fegen. Selbst mit gezückter Knarre dauert es ziemlich lang, bis endlich mal ein Polizist von der Gewaltorgie mitbekommt. Vermutlich wäre dies auch in einem Spiel wie Saints Row völlig in Ordnung, immerhin ist dort anarchische Gewalt Teil des völlig absurden und überzogenen Spielkonzepts, aber in einem ernsthaften Undercover Cop Drama, als welches sich Sleeping Dogs ja präsentiert, ist dies reichlich unpassend. In direkten Missionen wird Wei Shen übrigens auch mit Abzügen an Cop Erfahrungspunkten bestraft falls er Unschuldige verletzt, außerhalb davon ist diese Regel aber aufgehoben. Darüber hinaus ist es unglaublich einfach der Polizei auch wieder zu entkommen, wenn sie denn einmal einen auf den Radar hat. Durch das Rammen per Auto lassen sich die meisten gegnerischen Fahrzeuge ganz leicht zu Schrott fahren, während die Polizei nur im seltensten Fall mal Verstärkung ruft. Und selbst wenn sie mit schwer gepanzerten Einsatzfahrzeugen anrücken, lassen sie sich mit den Autostunts einfach übernehmen und kurzerhand leer räumen. Insgesamt fühlen sich die Polizisten beschränkt, hilflos und ziemlich lächerlich an. Das gilt aber auch für die allgemeine künstliche Intelligenz der Bewohner von Hong Kong. Selbst wenn man hintereinander fünf oder sechs Menschen mit der Pistole niederstreckt, stehen immer noch NPCs in Sichtweite in der Gegend herum als ob nichts passiert wäre. Genauso stur und dämlich verhalten sie sich, wenn man versucht sie mit der Autohupe zu verscheuchen, in der Tat reagieren sie erst, wenn man sie mit der Motorhaube anstößt oder sie gleich überfährt. Natürlich nur die, die überfahren wurden, die meisten Zeugen eines Mords bleiben im Weg stehen, selbst wenn der Fluchtwagen direkt auf sie zusteuert. Kaum einer ruft die Polizei bei der Beobachtung eines Verbrechens, viele vergessen relativ schnell, dass man sie gerade in den Magen getreten und ihr Fahrzeug geklaut hat, wenn man sich kurz wegbewegt und wieder kommt. Generell scheinen sie alle das Langzeitgedächtnis einer Obstfliege zu haben.
Käferbefall
Darüber hinaus bringt die Definitive Edition ein Arsenal an neuen Bugs mit sich, die man zuvor so nicht in dem ursprünglichen Spiel beobachten konnte. Hier sind einige der schönsten Beispiele: So wird man von drei bis vier Polizeimotorrädern verfolgt, die einen versuchen anzuhalten. Dummerweise haben alle vier Maschinen ihren Fahrer an der Polizeistation vergessen. Das Aktivieren einer Überwachungskamera von zu Hause aus, lässt sich nicht mehr Abschalten, da das Abbrechen der Aktion nicht eingeblendet wird. Das Navigationssystem, das einen zum Einsatzort einer Mission leiten sollte, führt einen ständig nur im Kreis um das selbe Haus. Das Sprung von einer Höhe herunter lässt einen im festen Beton einer Häuserwand feststecken. Das Kontern von Angriffen setzt in einer Herausforderung stellenweise aus oder es spielt die Animation zum Kontern ab, man erhält den Schaden des gegnerischen Angriffs aber dennoch. Beim Steuern eines Boots werden Bewegungen nach links oder rechts plötzlich nicht mehr registriert. Gegner werden erschossen, verhaken sich aber im Geländer und fallen unbewegt an Ort und Stelle unendlich lang herunter. Und das sind nur einige Gelegenheiten, in denen wir derartige Anomalien beobachten durften, vermutlich gibt es noch unzählige Beispiele mehr. Wichtig ist nur, dass Bugs und eben teilweise auch schwere Bugs, durch die man Missionen oder gleich das ganze Spiel beenden musste, keine Seltenheit sind.