Dontnod Entertainment veröffentlichte 2013 sein erstes Spiel "Remember Me". Der Titel verkaufte sich allerdings nicht besonders gut. Kurzzeitig stand es schlecht um den Entwickler, bis man sich mit Square Enix zusammentat und 2015 eines der besten Adventures des Jahres auf den Markt brachte. "Life is Strange" überzeugte durch seine interessante Geschichte, glaubwürdige Charaktere, einen ansprechenden Soundtrack und das intelligent eingesetzte Zeitreise-Feature.
In der ersten Staffel steuerte man Max Caulfield, die zusammen mit ihrer Freundin Chloe Price das Verschwinden von Rachel Amber untersucht. In Verbindung mit dem Butterfly Effect entstand ein in diesem Bereich ziemlich unverbrauchtes Produkt, das den Titel aus der Masse hervorhob. Während Dontnod mittlerweile an der zweiten Staffel arbeitet, hat Square Enix gestern die erste Episode des Prequels veröffentlicht. "Before the Storm" wird von Deck Nine entwickelt, und muss ohne Max auskommen, dafür übernimmt Chloe die Hauptrolle. Ob das Ganze auch ohne Zeit zurückspulen funktionieren kann, lest ihr im Review zu "Erwachen".
Was vor drei Jahren geschah
Before the Storm spielt drei Jahre vor den Ereignissen des Hauptspiels im Jahr 2010. Chloe ist 16 Jahre alt und mitten in ihrer Teenager-Phase. Sie rebelliert gegen ihre Mutter, schwänzt die Schule, bleibt Nachts lange weg und trinkt zu viel Alkohol. Nachdem sie Max zwischenzeitig gen Seattle verlassen hat, ihr Vater gestorben ist und ihre Mutter sich mit einem weniger netten Kerl eingelassen hat, fühlt sie sich allein gelassen im Leben. Das bekommt der Spieler in allen Szenen ziemlich gut vermittelt. Ihre neue Bekanntschaft Rachel Amber macht das nicht unbedingt besser. Sie fühlt sich aber erstmals nach langer Zeit verstanden und es scheint, als könnte sich hier auch mehr entwickeln.
In der rund zweieinhalb bis drei Stunden langen Episode folgen wir also Chloes Weg durch Highschool, Party und Faulenzen. Wir treffen einige Charaktere, die wir bereits in der ersten Staffel kennenlernen durften. Deren Charakterzüge waren offensichtlich damals schon dieselben, viel hat sich nicht getan. Die Story wirkt insgesamt noch etwas eintönig. Bislang wollte keine Spannung aufkommen, vielleicht ändert sich das noch in den beiden weiteren Episoden. Die ganz großen Entscheidungen musste man bis jetzt auch nicht treffen. Da liegt das Problem eines Prequels, wenn die Geschichte in den Grundzügen schon bekannt ist. Wir wissen wie es ausgeht; Deck Nine und Square Enix füllen nur noch die letzten Lücken. Ob sich das in den kommenden Episoden nteressanter gestaltet, bleibt abzuwarten.
Prequel Spiel, Prequel Gameplay
Wie bereits im Vorfeld erwähnt, fällt das "Zeit-Zurückspul-Feature" aus der ersten Staffel weg. Leider kann Deck Nine nicht für einen angemessenen Ersatz sorgen. Wie in jedem anderen bekannten Adventure der heutigen Zeit, beschränkt sich das Gameplay auf Dialoge mit einer gewissen Anzahl an Antwortmöglichkeiten, die zu kleineren Unterschieden bei den Gesprächsausgängen führen, Rätseleinlagen, die nicht wirklich euren Gehirnschmalz verlangen und ein bisschen von A nach B laufen.
Um für etwas frischen Wind zu sorgen, gibt es das sogenannte "Backtalk"-Feature. Diese Fähigkeit kann Chloe nutzen, um sich aus prekären Situationen rauszureden. Man muss seinem Gegenüber genau zu hören und die richtigen Entscheidungen treffen, um an sein Ziel zu kommen. Entscheidet man sich falsch, kann aber auch das genaue Gegenteil eintreffen. Wer in der ersten Staffel die optionalen Fotos mochte; Chloe macht nun optionale Graffitis, bei denen ihr zwischen zwei unterschiedlichen Motiven auswählen könnt.
Ein Vorteil gegenüber den aktuellen Telltale Games war schon zuvor die Interaktion mit der Umwelt und diese Stärke nutzt auch "Before the Storm". Chloe kann sich in manchen Abschnitten frei bewegen, mit verschiedenen Personen sprechen und sogar D&D mit einigen Schulkameraden spielen (unserer Elfen-Barbarin war kein gutes Ende bestimmt). Wer dazu Lust hat, kann sich in einigen Szenen auch nur entspannt auf eine Bank sitzen und dem erneut guten Soundtrack lauschen.
Die Feelings sind mal wieder strong
Was Life is Strange schon gut vermitteln konnte, waren die Gefühle der verschiedenen Figuren. Man fieberte mit und wollte genau wissen, wie es weitergeht. Man wollte herausfinden, wie sich einige Situationen entwickeln, wenn Max ihr Feature anders oder vielleicht auch gar nicht einsetzt. Dadurch fiel der Wiederspielwert im Vergleich höher aus. "Before the Storm" gibt sich wirklich Mühe, scheitert aber an den Erwartungen, die Fans nach dem Überraschungshit hatten. Während Max eine stille Person und sehr introvertiert war, schreit Chloe ihren Schmerz in die Welt hinaus. Man kann ihre Gefühle nachvollziehen, wirkliche Empathie möchte aber nicht aufkommen.