Die Idee klingt einfach zu gut um wahr zu sein: Um seinen eigenen Mordfall aufzuklären, bleibt ein Detektiv als Geist an die hiesige Welt gebunden und nutzt seine übernatürlichen Fähigkeiten, um dem Mörder auf die Schliche zu kommen. So kann körperlos er in die Gedanken lebender Menschen eindringen, um Informationen heraus zu filtern, kann durch Wände und feste Objekte laufen und bestimmte Objekte à la Poltergeist beeinflussen, um Menschen Angst einzujagen, zu verschrecken oder um sie auf etwas Bestimmtes aufmerksam zu machen. Ist das nicht einer der interessantesten Ideen für ein Videospiel, die man je gehört hat? Gerade wo so viele Publisher Angst haben etwas Neues auszuprobieren, gibt Square Enix mit Murdered: Soul Suspect einer so ungewöhnlichen Spielidee eine Chance, dass man schon allein deswegen gegenüber diesem Detektiv-Spiel hellhörig wird. Wie in jeder guten Mördergeschichte gibt es hier aber auch eine falsche Fährte, die gelegt wird, um einen in die Irre zu führen. So kreativ und ungewöhnlich die Idee hinter Murdered sein mag, so eng gebunden, linear und streng limitiert ist die Ausführung im tatsächlichen Spiel. In diesem Review untersuchen wir also einen Mordfall einer ganz anderen Art: Der Mord eines vielversprechenden Grundkonzepts.
Der Tod ist erst der Anfang
Wenn man der Gerechtigkeit genüge tun wollte, wäre es sicher noch erwähnenswert, dass Ghost Trick: Phantom Detective von Capcom damals eine ähnliche Idee auf dem Nintendo DS verfolgte, der Unterschied ist aber nicht nur im wesentlich bunteren Stil zu finden, sondern auch im Gameplay. Ghost Trick ist ähnlich wie Portal in Puzzelsektionen aufgeteilt, in denen man seine Fähigkeiten nutzt, um das vorhandene Problem zu lösen. Murdereds Aufgaben lassen sich wiederum kaum als Puzzel oder Rätsel begreifen, stattdessen liegt der Fokus vermehrt auf der erzählten Geschichte und der Atmosphäre. Hauptheld ist Ronan O’Connor, ein Mann mit einer lebhaften und kriminellen Vergangenheit, der Dank seinem Bruder auf den rechten Pfad zurückfand und Detektiv wurde. Bei der Investigation eines Serienmordfalls in Salem wird er aber selbst Opfer das sogenannten Glockenmörders und endet mit mehreren Pistoleneinschüssen in seiner Brust auf der Straße. Unfähig in seinen Körper zurück zu schlüpfen wird seinem Geist aber auch der Zugang ins Nachleben verwehrt, jedenfalls solang ihn noch unerledigte Geschäfte in der sterblichen Welt zurück halten. Was bleibt ihm also? Zurück an dem Ort seines Todes, unfähig mit Menschen direkt zu kommunizieren, bleibt er gefangen in einer Welt der Geister und muss seine neuen Fähigkeiten nutzen, um den Serienmörder eben auf eine andere Art und Weise aufzuhalten. Für wen dieser Anfang interessant klingt, der dürfte vermutlich auch Spaß an der erzählten Geschichte haben, auch wenn der vorliegende Kriminalfall mit einigen sehr klischeehaften Figuren bespikt ist. Ronan selbst bleibt trotz seiner vielseitigen Vergangenheit ein eher unscheinbarer Charakter, aber diverse Nebenakteure wie Joy, eine junge Frau, die die Fähigkeit besitzt Geister zu sehen oder seine tote Frau Julia geben der Geschichte ein wenig mehr Anstrich. Insgesamt kann einen der Fall um den Glockenmörder als reine Krimi-Story durchaus bei Laune halten, auch wenn das Ende und die Auflösung des Mysteriums eher enttäuscht. Noch besser ist aber eigentlich die allgemeine Atmosphäre des Spiels. Salem ist wunderbar düster und in seiner Geisterwelt als ein unheimlicher Schauplatz für diese Art von Geschichte sehr geeignet. Dabei verbinden die Entwickler neben den modernen Architektur der Stadt auch geisterhafte Überreste von Gebäuden und Gegenständen, die noch aus der Zeit der Hexenverfolgung stammen. Zum einen gibt sich durch diese Mischung so ein interessantes Bild aller Kulissen, zum anderen kann Ronan aber auch mit diese Erinnerungen anders agieren. Während er durch alle Gegenstände hindurch gleiten kann, stellen Geisterobjekte tatsächliche Hindernisse da, die sich aber mit seinen neuen Kräften entweder entfernen oder zurück holen lassen. Dadurch ergibt sich zwar die Möglichkeit für den Spieler ein wenig zu erkunden, allerdings auch nur stark begrenzt, da das Spiel einen immer weiter zum nächsten Abschnitt der Geschichte drängt. Nebenaufgaben am Wegesrand sind zahlreich verteilt, der Großteil davon aber nur unmotivierte Sammelquest für eine wenig ausreichende Belohnung.
Der Mord am Anspruch
Immerhin: Hin und wieder kann man anderen Geistern begegnen, die einen an ihrem Schicksal teilhaben lassen. Diese düsteren, kleinen Geschichten sind ohne Frage das Highlight des gesamten Spiels, besonders wenn man dann auch noch nebenher herausfinden kann, was den armen Seelen eigentlich zugestoßen ist. Und von dieser Atmosphäre, der Geschichte und solchen Begegnungen muss man sich wirklich motivieren lassen Murdered durch zu spielen, denn sobald wir zum tatsächlichen Gameplay kommen folgt eine Enttäuschung nach der anderen. Vorhin wurde ja schon eine Menge an Fähigkeiten aufgelistet, die Ronan zur Verfügung stehen und von der Vielzahl müsste man meinen, dass sich dadurch anspruchsvolle Rätsel erstellen lassen. Wäre immerhin nicht genau das zu erwarten? Hinweise dadurch sammeln, dass man seine Geisterfähigkeiten kombiniert, um am Ende wie in jeden gutem Kriminalspiel das Rätsel zu lösen? Leider scheint Murdered vollständig die Fähigkeit zu fehlen genau dies umzusetzen. Angekommen an einem Tatort wird für den Spieler eine Frage eingeblendet, die es zu lösen gilt. „Was wollte der Mörder hier?“ oder „Wie ist er vom Tatort entkommen?“. Das Sammeln verfällt dann tatsächlich in ein wortwörtliches Aufsammeln aller umerliegenden Gegenstände, indem man sie per Knopfdruck betrachtet. Schlussendlich muss man nur die drei relevantesten Hinweise miteinander verbinden und voilà: Das Mysterium ist gelöst. Dabei ist es meist arg offensichtlich welche Hinweise die Geschichte für relevant betrachtet, sodass man nur selten in die Verlegenheit kommt tatsächlich nachdenken zu müssen. Aber selbst im Falle dessen, dass man falsch rät, hat das keinerlei Konsequenzen auf den vorliegenden Fall. Tatsache ist nämlich, dass man nie wirklich falsch liegen kann. Im Zweifelsfall darf der Spieler so oft Hinweise kombinieren, bis er irgendwann die richtigen drei aktiviert. Einzige Maßnahme ist, dass Spiel einen dafür mit dem Abzug von Detektivpunkten bestraft, was in sich einem Spiel mit Schwerpunkt auf der Story als Motivation, ohne Leistungsbewertung am Ende der Geschichte und ohne Wiederspielwert für eine bessere Punktzahl an Sinnlosigkeit kaum überbieten lässt. Das Herausfinden von Hinweisen, indem man in den Geist anderer Menschen eindringt, in ihren Geist vielleicht selbst Gedanken verknüpft, um sie anzuregen mehr preis zu geben, klingt faszinierend, ebenso wie als Poltergeist die Umgebung zu beeinflussen, ist aber unterm Strich bei weitem zu starr implementiert, um wirklich unterhaltsam zu sein. Es gibt keinerlei Raum für Experimente mit den Fähigkeiten. Sobald man sie erlernt hat, leitet Murdered den Spieler an einem Faden durch das Rätsel, teilt stets mit welche Geisterfähigkeit jetzt zum Zuge kommen muss und gibt nur Raum für eigene Entscheidung, wenn die Lösung sowieso auf der Hand liegt. Besonders das Poltergeistern funktioniert nur dann, wenn es das Spiel gerade will, dass die umgebenden Menschen es bemerken. In einigen Situationen kann man das Papier eines Druckers bis zur Decke wirbeln lassen, ohne dass auch nur ein Polizeibeamter in dem Büro eine Regung aus dem Gesicht verliert. Zu keinem Zeitpunkt fühlt man sich intellektuell gefordert, was so zu einem geradezu lächerlich niedrigen Grad an Anspruch führt. Bei seiner eigenen Kernidee, nämlich ein Detektivspiel zu sein, versagt Murdered: Soul Suspect also leider völlig.
Die aufgesetzte Jagd
Ein anderer großer Aspekt des Spiels ist neben dem Lösen von Rätseln auch die Verfolgung von Dämonen, die versuchen Ronan habhaft zu werden. Hier erhalten wir also auch eine Action-Komponente von Murdered und zwar in der Form von Stealth, was allerdings so wenig zu den anderen Aspekten des Spiels passt, dass man sich schon fragen muss ob es nicht nachträglich hinzugefügt wurde um die Spielzeit zu strecken. Großartig unterhaltsam sind diese Sektionen auch nicht, da man sie nur hinter sich bringen will, um endlich weiter in der erzählten Geschichte zu kommen. So funktioniert es: Die Dämonen halten Ausschau nach Ronan, können aber nicht mehr wie andere Geister durch Wände blicken, sodass sie nun Räume oder Korridore bewachen. Über ihre Patrouillengänge kann man sich also in Ruhe Übersicht verschaffen, wobei man sich in diversen Spalten zwischen den Welten oder in den Körpern von Lebewesen verstecken kann. Im Idealfall bewegt man sich so vorsichtig vorwärts, um ans Ziel zu kommen ohne entdeckt zu werden. Wird man aber doch entdeckt, muss man eben weglaufen, von einer Spalte zur anderen springen bis die Dämonen die Lust verlieren, auf ihren Posten zurückkehren und dann geht es eben wieder von vorne los. Wer es hinter einen Dämonen schafft, kann sie per Quick Time Event auch ausschalten, was fast die viel bessere Lösung darstellt. Auch dies ist recht einfach, sodass die fürchterlich aussehenden Gestalten nach nur kurzer Zeit zu nur ein wenig beeindruckendes Hindernissen verkommen. Auch andere Abschnitte, wie in etwa den Körper einer Katze zu kontrollieren, wirken wie Füllmaterial, welches man sich aus anderen Spielen entlehnt hat, bis man schließlich erkennen muss: Fast alles was Murdered einem vorsetzt, fühlt sich wie Füllmaterial an, ohne einen starken Kern, der es zusammen halten kann. Die wenigen Highlights, wie etwa Joy bei der Flucht verhelfen oder sich mit kürzlich verstorbenen Geistern zu unterhalten, sind bestenfalls auch leider nur kurzfristig amüsant. Insgesamt fehlt es dem Spiel an einer durchgehend konstanten Gameplayidee, die dem ganzen Konzept einen roten Faden verleihen würde, so aber verkommt es zu an einer Aneinanderreihung von nicht ausgereiften und nicht voll durchdachten Spielabschnitten. Zwischen Titeln wie Portal, Ace Attorney oder Ghost Trick geht Murdered mit seinem streng linearen und konservativen Rätseldesign völlig unter und die aufgezwungenen Stealth-Abschnitte bestätigen nur das mangelnde Vertrauen der Entwickler in ihre eigene Spielidee, der man nicht zutraute einen vollständigen Titel zu tragen. Daher liegt der Mordfall nun klar auf der Hand: Das vielversprechende Grundkonzepts verstarb an mangelnder Pflege und Sorgfalt. Fall gelöst.