Das Internet - unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr [u]2008[/u]. Eigentlich ginge alles in seinen normalen, geregelten Bahnen, gäbe es nicht immer wieder die Kollisionen von kleinen Welten im unendlichen Online-Universum.
Vor Kurzem fand wieder eine solche statt. Der große Crash bestand zu etwa 15 % aus schlechtem Geschmack, 20 % Unterhaltung, 5 % Technik und etwa 60 % Inkompetenz und blindem Aktionismus.
Bei dem Unfall gab es ein Todesopfer zu beklagen: Kürzlich wurde die Internetseite "onpsx.de" zu Grabe getragen. Hunderte Trauergäste versammelten sich online und erwiesen ihr die letzte Ehre. Doch was war genau geschehen, und wie kann man solche tragischen Ereignisse vermeiden? Das ist mein Kommentar zu der gesamten Situation
Am Anfang war immer die Suche nach dem Schuldigen. Meist erweist sich diese als sehr einfach, insbesondere dann, wenn Unwissen und Ignoranz zusammentreffen und sich dazu entschließen, zu amputieren statt zu behandeln. Denn schließlich entfernt man lieber gleich jeglichen Nährboden, anstatt nach dem wahren Grund zu suchen und eine freie Entfaltung zu begünstigen.
Populistische Meinungen neigen dazu, das Unbekannte zu verdammen und die Hexen zu verbrennen, Bilder zu zerreißen, Bücher zu verbieten, Filme bis zur Unkenntlichkeit, und noch viel weiter, zu kürzen, und all die schönen Dinge, an denen sich Randgruppen, im Volksmund "Freaks" genannt, ergötzen, so gut es geht zu verbannen.
Hier sind nicht umsonst diese Beispiele gefallen. Jegliche "neue Medien" sind zu Beginn ihrer Entdeckung auf eine Phase des gemeinen Widerstands gestoßen. Teufelswerk sei es, es bringt Leute dazu, schlimme Dinge zu tun, es bringe perverse Gedanken in die Köpfe guter Menschen. Die Liste ist endlos, das Argument ist immer das Gleiche.
Doch was ist aus diesen Dingen geworden? Heutzutage liest jeder, der es will, den Marquis de Sade, sieht im Theater nackte Schauspieler herumspringen, zieht sich alljährlich zur Weihnachtszeit die Kriegsfilme rein und leiht sich auch mal nen Porno oder einen wertlosen Kannibalen-Splatterfilm aus der Videothek aus. All das ist "ab 18" kein Problem und ist zum Teil sogar gesellschaftlich als hochintellektuell geachtet. Ja, Schund gehört zum guten Ton, vor allem wenn es um die Kunst geht!
Doch wehe, wenn der mündige Erwachsene, der all das da oben schon erlebt hat, sich eine Konsole kauft und beginnt, Spiele vom gleichen Kaliber einzulegen. Dann schreit die Gesellschaft auf und man wird zum potenziellen Massenmörder hochgestuft. Dass Spiele ebenfalls künstlerische Belange befriedigen, dass Shadow of the Colossus für Spieler das ist was Shakespeare für Theaterkritiker, kann der durchschnittliche Boulevard-Zeitung lesende Elternteil natürlich nicht begreifen. Denn dieser hat Angst. Er hat Angst vor dem Unbekannten, dem sich sein Kind hingibt, Angst vor Welten, die sich auftun, wenn man sich ins große weite Internet begibt.
Dieser Mensch, nehmen wir mal an, hat einen Sohn. Gehen wir davon aus, dass dieser Sohn minderjährig ist. Das Kind hat natürlich "weil es sich so gehört und ja für die Zukunft gut ist, und man ohne gar nicht mehr auskommt" einen Computer, und zwar schon seit er 13 ist. So einen grauen Kasten halt. So ein unbekanntes Wesen mit ganz vielen unbekannten Dingen, die im Schlepptau sein könnten.
Der Sohn ist natürlich, weil er sich die Kompetenz angeeignet hat, mit dem Gerät umzugehen und es für seine Zwecke zu nutzen, auf der Suche nach Gleichgesinnten: Anderen Spielern! Nehmen wir mal an, dieser Sohn landet dann auf einer Spiele-Seite, wie wir sie oben genannt haben
oder wie es Consolewars selbst ist. Eines Tages stellt das Elternteil dann fest, dass auf dieser Seite auch Inhalte besprochen werden, die nicht für das Alter des Kindes geeignet sind.
Was darauf folgte, wissen einige der Leser hier bereits: Der Elternteil meldet die Seite bei einer zuständigen Institution, die Seite muss darauf hin schließen - und wird einfach mit einer anderen Endung im Ausland wieder aufgemacht.
Geändert hat sich nichts.
Und hier haben wir unser Problem.
Wer hat eigentlich den Fehler begangen?
Was geschehen ist:
Der Betreiber der Spieleseite musste wegen dieser Sache einen erheblichen Aufwand auf sich nehmen, um dem Gesetz zu entgehen, das jedoch nur dafür existiert, unwissende und inkompetente Bürger zu beruhigen.
Zugleich haben hunderte volljähriger Nutzer dieser Seite unter dieser Konsequenz zu leiden, da sozusagen ihre Stammkneipe wegen einer Auflage schließen musste. Die Kommunikationsplattform für die Spieler wurde zerstört.
Der Elternteil fühlt sich nun im Recht und fühlt sich stark, dass er etwas gegen diesen gewaltverherrlichenden Schund tun konnte und setzt sich wieder an den TV und schaut Kriegsfilme.
Und der Sohn, dem ebenfalls die Plattform genommen wurde? Der geht einfach auf eine andere Seite, deren Basis z.B. in der Schweiz liegt und freut sich.
Der Logiker würde nun sagen: Problem ungelöst.
Ich stelle die Frage nochmals. Ich stelle diese Frage an jeden, der sich nur halbwegs dafür interessiert oder der in dieser Sache sogar eine Rolle spielte:
[u]Wer hat den Fehler begangen?[/u]